Sehr geehrter Herr Schulz, noch 1998 musste
ich mich von Ihnen vor der ganzen Klasse auslachen lassen, als ich meinen
überaus wohl formulierten Unfallbericht vorlas, weil Sie behaupteten, das Wort Personenschaden sei nicht existent. Pah!
Vor einigen Tagen wurde dieses Wort von unserem Außenminister in der Tagesschau
benutzt!!! Augen auf bei der Berufswahl!
Das würde ich im Nachhinein so manchem
Leerkörper, oh Entschuldigung, Lehrkörper, nur allzu gerne raten. Ich erinnere
mich noch an eine meiner Klassenlehrerinnen, die irgendwann im Unterricht
anfing, vor uns Viertklässlern darüber zu schwadronieren, dass sie und ihre Yuppie-Freunde
befürchteten, es würde aufgrund einer hohen Unzufriedenheit in Deutschland
jederzeit ein Bürgerkrieg ausbrechen können. Sie und auch ein paar Bekannte
hätten sich diesbezüglich natürlich schon gerüstet und entsprechende
Fluchtmöglichkeiten sowie das Hab und Gut gesichert. Tja, und wir standen da –
die Todesangst im Gesicht und völlig aufgelöst nach Hause laufend und unsere
Mütter bestürmend. Meine Panik musste ich noch bis ca. 20 Uhr allein in Schach
halten – meine Mutter war vollzeitbeschäftigt – und wenig später auch nicht
begeistert, als die selbe Lehrerin inbrünstig vor Riesenkraken warnte, die man
noch gar nicht erforscht hätte, die aber jederzeit aus dem Meer kommen könnten
(und die Weltherrschaft anstreben würden)!
Gerade jetzt, wo ich das so niederschreibe,
bin ich ganz begeistert, dass aus mir doch noch was geworden ist – wie auch
immer!? Es grenzt eigentlich fast an ein Wunder! In der Schule habe ich das Wissen dazu
allerdings nicht erworben, denn ich erinnere mich auch, dass unsere Heimatkundelehrerin
(=Sachkunde in der DDR, bloß völlig unsachlich) davor warnte, unsere Körperhaare
zu entfernen. Niemals sollten wir das tun, denn dann würde unsere Haut nicht
mehr atmen können und wir quasi ersticken. (Ist mir neulich beim Beine rasieren
eingefallen, das ich wie durch ein Wunder überlebte.) Ja, und was mache ich nun mit all dem unnützen Wissen zu
Pioniergeburtstagen und anderen sozialistischen Feiertagen? Das war gut, um
nicht auf die Pennerbank oder in die Hilfsschule zu kommen (und auf beiden war
man schneller als man gucken konnte), aber im Leben hat mir das nichts
gebracht. Eigentlich ähnlich wie Pi (3,14 irgendwas). Ich habe lediglich von
Zeit zu Zeit das Gefühl, irgendwann ist das Leben wie die dritte Quadratwurzel
aus Pi – für mich nicht berechenbar und völlig unverständlich. Ein
Orientierungskurs fürs Leben war die Schule jedenfalls nicht. Allein die
Begrifflichkeiten führen schon in die Irre. Sportfest
– das ist genauso unsinnig wie Frohe
Botschaft: Nichts kam mir in meiner späteren gesamtdeutschen Jugend
freudloser vor als der aufgezwungene und angstmachende sonntägliche Gottesdienst.
Und Sportfest?? Schulsport war nie festlich, besonders nicht, wenn man die
Dicke war, die in keine Mannschaft gewählt wurde, weil sie beim Umrunden des
Sportplatzes immer asthmatischer Bummelletzter war. Ja, gut, auch beim
Bockspringen sprang ich nicht drüber, sondern - wenn überhaupt und es gut lief
- dagegen. Tja, und dann bei der Sportlehrerin, die ich hatte: Die ließ einen
im Schlübber turnen, wenn man sein Sportzeug vergessen hatte. Wenn Sport da
nicht Spaß macht!
Gestern habe ich meinen alten Taschenrechner
gefunden. Von oben bis unten bekritzelt. Ich konnte aber noch entziffern: Es gibt einen Ort, wo die Sonne nie lacht,
wo der Mensch, den Menschen zum Idioten macht, wo es gibt weder Mut noch
Tugend, das ist die Schule, das Grab meiner Jugend. Das hatte Anne Müller
mal draufgekritzelt. Soll all das unnütze Wissen da bleiben. Begraben.