Mittwoch, 5. September 2012

Erleuchtung erwandern

Wandern oder gar Pilgern ist seit einiger Zeit ja mehr als up to date und gilt als Garant der Erleuchtung. Einmal Pilgern bitte und schon weißt du, wo es in deinem Leben lang geht oder gehen sollte. Der Buchmarkt ist von Jakobsweg-Romanen und Ratgebern überschwemmt: The place to be. Also, für mich mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl einen großen Bogen drum zu machen: Zuviel Ablenkung und vermutlich hat sich schon die ein oder andere Fast-Food-Kette an verschiedenen Rastplätzen entlang des Weges niedergelassen. Nein, danke! Die Erleuchtung hätte ich aber trotzdem gerne, obwohl sie längst in mir schlummert und manchmal auch schon herausschaut. Ich wollt sie nun mal richtig befreien. Und wenn das durchs Wandern möglich ist, immer her mit den Abenteuern! Ich ging als Kind schon gern spazieren. Ich gehe ständig zu Fuß, wo andere den Bus nehmen. Ich gehe gern. Einfach laufen und die Gedanken treiben lassen.
Doch, was soll ich sagen? Es war nicht schön. Es war nicht leicht. Es war gar nicht lang genug, aber es war zumindest die Ahnung, wie es sein könnte, sich frei zu laufen, sich so zu schinden, bis alles scheiß egal und der Kopf frei ist. Aber vor allem war es Blasen, geschwollene Hände, wunder Hintern, sich im Wald verlaufen und Angst haben und kein Quartier finden. (Der Norddeutsche ist eben nicht auf Wanderer eingestellt.) Weit und breit nur Waldgeräusche und ich. Sieben Stunden strammen Schrittes. Kaum Pausen, kaum Essen – aber das Ziel vor Augen, das unbedingt erreicht werden muss, EGAL WIE!
Es war auch eine mit Geld nicht zu bezahlende Mitwanderin, ein Aufgeben gilt nicht, ein Ängste überwinden und die Feststellung, dass es funktioniert und mehr geht, als man denkt, wenn man sich selbst den Weg versperrt. Es war die Begegnung mit der Zivilisation, die interessiert und belustigt schaute, wenn wir vom Wald in ihr Dorf kamen.
Und es ist das Gefühl, ohne Rucksack nicht mehr gehen und stehen zu können, weil das Ding dich scheinbar zusammen und aufrecht gehalten hat. Es ist auch Stolz, es geschafft zu haben.
Und schließlich ist es der dringende Wunsch in den Wald zurückzukehren, spätestens wenn du bei deiner Rückkehr im Bus in Hamburg sitzt und von einem Alkoholiker-Teenie fast bekotzt wirst.
Aber die Erleuchtung ist es nicht.