Samstag, 31. Dezember 2011

Silvester-Grinch



Gestern Abend war es wieder soweit. Ich bin auf der Couch eingeschlafen – ein Vergnügen, das nicht lange währte, da vor meinem Wohnzimmerfenster nur wenig später eine Bombe explodierte. Er hat wieder begonnen, der Krieg. Fenster und Türen geschlossen halten. Und am liebsten würde man doch nicht nur Hund und Katz im Keller einsperren, sondern sich selbst gleich mit. Ich hasse Silvester! Genau genommen, hasse ich Feuerwerk, noch genauer Böller, Knaller oder wie die auch immer heißen. Die Freude und Faszination daran hat sich mir bisher nicht erschlossen. Und jedes Jahr schießt mir auch wieder das Bild von der armen Alster-Ente in den Kopf, die im Jahr 2000 gegen 22:00 Uhr bereits um ihr Leben schwamm, weil sie von allen Seiten mit Raketen beschossen oder mit Böllern beworfen wurde. Zu der Uhrzeit hat man oft schon das Gefühl, es gäbe keine Steigerung mehr, es sei denn, um 24:00 Uhr erfolgt der Atomschlag, den sich ja ernsthaft niemand wünschen kann.
Viel Geld, das sich zur Freude mancher in Luft, Rauch und Gestank auflöst, Müllberge hinterlässt, einfach verpufft und manchem Mensch und Tier Angst einjagt, klingt wie ein Bombenangriff und hier und da auch ähnliche Opfer fordert, Gliedmaßen verbrennt und abreißt, Leben kostet. Ich dachte immer, ich hasse Silvester, seit ich aufgrund meines silvestermuffeligen Freundes nichts erwähnenswertes an diesem Datum mehr unternommen habe, aber ich glaube, das ist ein Irrtum, denn davor war ich an Silvester lediglich immer dem Ereignis angemessen betrunken, um es mit Spaß zu tolerieren (oder erforderlich beruhigt, es zu ertragen) UND mir selbst glaubhaft zu versichern, dass das alles total toll ist. Aber nun weiß ich: Ich bin der Silvester-Grinch! Es ist höchste Zeit nun in meine Berghöhle zu kriechen.


Dienstag, 13. Dezember 2011

Einfach mal die Klappe halten

Es ist gerade zwei Wochen her, dass ich gekündigt habe und schon kennen mich meine neuen Kollegen besser als ich sie. Aber eher so wie bei Stille Post. Das ist vielleicht für Kinder lustig. Mir ist das Lachen vergangen. In dem Personalgespräch, welches meiner Ansicht nach vertraulich ist - sonst könnte ich meine Personalakte ja auch an das Schwarze Brett in der Kaufhalle nageln - gab ich bekannt, zu welcher Firma XY ich wechseln werde. Am nächsten Tag wussten es eigentlich alle Kollegen. Nun ist es so, dass wir mit Firma XY regelmäßig zu tun haben, was die Chefin zum Anlass nahm, sich während eines Telefonates beiläufig bei einem Mitarbeiter von XY darüber zu beschweren, dass man mich abgeworben hätte, was nur bedingt richtig ist und der Mitarbeiter entsprechend ahnungslos, denn in der Niederlassung, in der sie anrief, fange ich gar nicht an. Da alle Mitarbeiter der Firma XY allerdings eine gemeinsame Weihnachtsfeier haben, wurde dies gleich heiß diskutiert und es wurden Vermutungen laut, ich wisse selbst gar nicht, wo ich denn nun meinen neuen Job antreten werde. Ja, so sehe ich aus.
Warum können Menschen nichts für sich behalten? Warum muss alles die Runde machen? So wie mein Foto, welches bereits auch schon dem ein oder anderen Mitarbeiter von XY per Mail zuging, ohne dass ich gefragt wurde und nur damit man mich dann auf dem Flur ab Januar auch erkennen wird. Vielleicht will ich gar nicht erkannt werden und erst mal in Ruhe da anfangen, ohne schon einen Ballast mit mir rumzuschleppen, dass jeder, aber auch wirklich jeder bei XY, schon irgendetwas von mir gehört hat! Gefährliches Halbwissen.
Was das Foto betrifft, so ist da nicht mein jetziger Arbeitgeber schuld, sondern dies ist dem Überschwang der Gefühle meiner Freundin geschuldet, die es gut meinte und ihren ehemaligen Anleiter aus dem Praktikum, der ab Januar ein Stockwerk über mir sitzen wird, schon mal visuell vorbereitete. Wahrscheinlich erkennt er mich nun, ich ihn aber nicht. Ein wildfremder Mann hat ein Foto von mir. Ich habe ihn einmal flüchtig gesehen - im Studentenwohnheim, als ich aus der Dusche kam und ein Handtuch um den Kopf gewickelt hatte. Um nicht noch mehr Missverständnisse entstehen zu lassen: Der Rest von mir war auch bedeckt.
Hamburg ist ein Dorf und so ist es auch nicht verwunderlich, dass ich schon weiß, dass mein neuer Bürostuhl geliefert wurde.

Freitag, 9. Dezember 2011

Bewerbung um die Stelle als Langweilerin

Hiermit bewerbe ich mich bei Ihnen um den Posten als langweiligste Frau der Welt. Niemand sonst will ihn – ich bin ganz scharf drauf! Folgend möchte ich Ihnen erläutern, warum ich die Richtige für diesen Job bin.

Der ständige Wettbewerb ist mir zu anstrengend; mal davon abgesehen, dass ich ihn für Zeitverschwendung und Umweltverschmutzung halte. Ich will eigentlich nur unbeobachtet meine Ruhe haben und mir selbst genug sein. Ich bin nichts Besonderes und mache auch nichts Besonderes, weder aus Spaß an der Freude noch um mich selbst zu finden oder um etwas Besonderes zu werden. Mein höchstes Bestreben ist gewöhnlich zu sein, mein kleines Leben zu leben. Mein Alltag ist mein Abenteuer und der besteht hauptsächlich aus meiner Arbeit (ich arbeite gern) und ab und zu etwas Hausarbeit, bedingt diszipliniert. Ich bin nett, hilfsbereit und hab ein Herz für Menschen, lach mich gerne schlapp und trinke Wein. Ich liebe den Nachbarklatsch im Treppenhaus, mit den Omis, die hier in diesem Haus schon seit 1957 wohnen. Ich selbst stelle keine Rekorde auf – höchstens in Langsamkeit, denn ich brauche oft mehr als eine Woche, um Die Zeit zu lesen und in der Zeit gibt es längst die nächste davon. Ich raste vor Freude aus, wenn ein Eichhörnchen meinen Weg kreuzt und ich fange an zu heulen, wenn mir jemand erzählt, dass eine Oma überfallen wurde, gleich nachdem sie das Geld für die Beerdigung ihres Mannes von der Sparkasse abgeholt hat.

Regelmäßig finden meine Hobbies (montags Yoga und donnerstags Chor) ohne mich statt. Ich singe dafür beim Abwasch in der Küche und tanze ab und zu im Wohnzimmer.

Meine Kontakte sind überschaubar, aber erfreulich. Ich will eines Tages eine stinknormale Familie gründen. Meine Kinder sind richtige Kinder, die spielen dürfen und sich dreckig machen. Wir fahren auch in den Urlaub. Mein Mann ist ebenfalls durchschnittlich, für mich allerdings besonders. Ich behalte auch diesen einen Mann, denn dauerndes Ver- und Entlieben ist mir zu aufregend.

Mir wäre es möglich, meine ganze Energie in den Langweilerin-Job zu stecken, denn ich laufe nicht Gefahr mit anderen Kollegen in lange arbeitsablenkende Gespräche über die Kardashians oder andere TV-Katastrophen zu versacken, denn ich weiß in der Regel nicht, wer oder was die oder das sind.

Sollte ich Ihr Interesse geweckt haben, rufen Sie mich gern an. Aber bitte vor der Tagesschau. Danach sind Anrufe nur zu entschuldigen, wenn es sich um wirkliche Notfälle handelt. Und außerdem geh ich früh schlafen.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Nein to Five

So, ich sage ab sofort Nein to Five; ich mein, ich sage NEIN to nine to five. Ab sofort bin ich auf der Suche nach mehr Spaß an der Freude - mindestens so wie Pippi Langstrumpf! Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Und ich freu mich! Ich freu mich, auch wenn die Rentenversicherung mich gerade angemahnt hat, weil ich meiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme; und auch, wenn der Weg zum Spunk steinig ist – Spunk, von dem Pippi Langstrumpf ganz viel hat und den ich auch will. Und ich freu mich auch, wenn der Weg zum Spunk über die Kündigung führt. Die habe ich ja nun hinter mir. Kaum zu glauben, was diese für eine Lawine ausgelöst hat! Zumindest emotional sei es mir daher erlaubt, mich vom Zug überrollt zu fühlen. Nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit ereilte die Kollegen der totale Schock, tiefe Traurigkeit sowie stellt sich für viele die Frage nach der eigenen Position – kurzum, ich war sogleich Thema der aktuellen Supervision und ohne mich geht nichts, es sei denn den Bach runter. Also, hätte ich das erstens vorher gewusst und eine entsprechende Behandlung erfahren, wäre ich vielleicht geblieben, denn in der Tat: Ich WAR drei Jahre lang der Verein… und liebte ihn; ABER zweitens finde ich es erschreckend und befremdlich, die Chefin in Tränen ausbrechen zu sehen und meine Kündigung zu einem solchen Thema zu machen, weil ihr selbst scheinbar nun alle Felle davon schwimmen. Ist das auch Anlass zur Freude? Oder soll ich mich einfach darüber freuen, dass der Absprung kurz bevor steht? DA STIMMT DOCH WAS NICHT!! Schließlich bin ich nicht Thomas Gottschalk, der soeben nach gefühlten fünfzig Jahren die Moderation von Wetten dass…? niedergelegt hat. Da fehlt der Spunk. Uns, ihnen oder euch fehlt der Spunk. Da muss ich weg, auch wenn’s schwer fällt, denn ich will mich freuen.

Ich will mich darüber freuen, dass meine Schwester sich als verliebtes Eichhörnchen bezeichnet, ich einen neuen Job antrete, der Weihnachtsmann bald kommt und ich heute die Hälfte des Abwaschs geschafft habe, der seit einer Woche in der Küche gammelt. Ich will mich auch darüber freuen, dass die Familienplanung sich nicht selbstständig gemacht hat, und dass ich eines Tages die allerschönste Frau der Welt sein werde – weil die einzige, die der plastischen Chirurgie nicht zum Opfer gefallen ist. Und das ist noch mehr Grund zur Freude: Somit bin ich auch kein Sondermüll bzw. Teile von mir werden kein Sondermüll. Ich freu mich jetzt schon darüber, dass die Glühweinsaison eröffnet ist (obwohl diese zumindest gefühlt schon im Sommer hätte eröffnet werden können) und ich freu mich, dass das Ecstasy-Opfer von gegenüber dieses Jahr von seiner üblichen Weihnachtsdeko Abstand genommen und stattdessen einen nicht flackernden Lichthirsch installiert hat – ich wette, er hat die letzten Jahre die Musik zum Rhythmus gehört, den der hässliche Leuchtstern vorgegeben hat, indem er mit 320 Blinks pro Minute die Farbe wechselte.

Und am meisten freu ich mich darüber, dass ich nun Zeit habe, mich freuen zu können. Nein to nine to five (…9:00 a.m. – 5:00 a.m.)!

Samstag, 3. Dezember 2011

Warum ist die Banane krumm?

Warum werden immer die Lieder im Radio durch Verkehrsnachrichten unterbrochen, auf die ich sehnlichst gewartet habe und die ich am allerliebsten hören will? Warum sind ModeratorInnen im Morgenprogramm die lautesten und nervigsten überhaupt? Warum muss ich immer während der Filme auf die Toilette, die nicht durch Werbepausen unterbrochen werden? Aus Schaden wird man klug – Warum überzeugt mich die Menschheit täglich vom Gegenteil? Warum war die Super Nanny noch nie bei meinen Nachbarn, die abends ihr Kind in den Schlaf schreien? Warum kommt mein Freund immer zu spät; vergisst meine Schwester alles? Warum hat niemand Zeit, wenn ich welche habe? Warum habe ich keine, wenn sie Zeit haben? Warum lässt die Antwort auf sich warten, wenn man sie erwartet? Warum kommt es immer anders als man denkt? Warum wohnt der Elefant in meinem Treppenhaus? Warum sitzt vor mir immer der größte Mensch im Kino und hinter mir der mit dem Schnupfen? Warum laufen die besten Filme nachts, wenn ich die Augen nicht mehr aufhalten kann? Warum klingeln die Wecker montags noch früher als an anderen Tagen? Warum ist am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig? Warum bestellen die Leute im Fernsehen immer etwas im Restaurant, müssen aber schon wieder los, noch bevor das Essen überhaupt serviert wird? Warum ist immer Messe in der Stadt, wenn man ein Hotelzimmer braucht? Warum fangen Nachbarn gern um 20:15 Uhr an Regale zu befestigen oder Bauvorhaben durchzuführen? Warum kommt die Betriebskostenabrechnung jedes Jahr kurz vor Weihnachten, wenn ich mein Geld für Geschenke brauche? Warum ist die Banane krumm? Warum klingelt es immer an der Tür, wenn ich noch nackt bin; klingelt das Telefon, wenn ich die Hände im Brotteig vergraben habe? Warum singen Männer im Radio die schönsten Liebeslieder der Welt und der eigene Mann zu Hause versteht überhaupt nichts von Romantik? Warum gibt es große Gefühle nur im Film und nicht im visuellen Direktkontakt? Und wann wird’s mal wieder richtig Sommer?