Samstag, 25. Mai 2013

Nö!


Eine Freundin, die immer auf meiner Seite war, hat sich von ihrem Freund zum Geburtstag ein E-Book schenken lassen. Bäh, wie unromantisch. Das habe sie zunächst auch gedacht, aber nun sei sie bekehrt. Innerhalb kürzester Zeit wurde dann aufgerüstet. Nun muss das Wohnzimmer ungefähr so aussehen, wie bei Bill Gates das ganze Haus. Die Technik entwickle sich so rasant, wenn man sich nicht ein bisschen damit auseinander setzen würde, dann habe man spätestens in 20 bis 30 Jahren verloren. Was hat man dann eigentlich verloren? Seine Freiheit, Geheimnisse oder einfach das eigenständige Denken, wertvolle Lebenszeit?

Ich führe ja nach wie vor heiße Beziehungen zu echten Büchern. Aber ich bin da im Kopf auch nicht flexibel, was technische Errungenschaften angeht. Neulich ist mein Fernseher, der jahrzehntelang treue Dienste geleistet hat, nach kurzer Krankheit verstorben und ja, ich hätte fast geheult. Dann habe ich mir einen neuen Fernseher gekauft und dann habe ich wirklich geheult, weil es überhaupt gar kein Fernseher ist, sondern so etwas wie ein Computer. Ich will doch einfach nur mal Tagesschau gucken, und das Gerät wollte aber irgendwelche Angaben, Eingaben und Downloads, noch ehe es überhaupt irgendwie loslegte. Wann ist das denn passiert, dass der ordinäre Fernseher abgeschafft wurde???

Ich liebe die Einfachheit!! Darum bin ich ja auch nicht smart genug für ein Smartphone. So wie ich hoffentlich mal eine der wenigen Menschen sein werde, die keine Plastikmöpse und Schlauchbootlippen oder Arschimplantate haben – oder noch schlimmer (!) ein Arschgesicht, indem Fett aus dem solchen direkt in mein Gesicht verpflanzt – wird; so werde ich hoffentlich auch die Frau sein, die allein den Weg findet oder atmen kann, ohne vorher ein Gerät einzuschalten.

Was den Fernseher betrifft, so habe ich es geschafft, ihn zu bedienen und sogar Sender sortiert. Es hat einen Monat gedauert.  Rest in Peace my Röhrenfernseher! Du warst viel schöner und hast mir nicht so viel Zeit gestohlen, visuellen Direktkontakt mit echten Menschen zu haben, die mir am Herzen liegen. Als wäre dafür nicht schon der Job verantwortlich!

Mittwoch, 22. Mai 2013

Landei


Ich hätte es niemals für möglich gehalten, aber ich bin der Stadt überdrüssig. Löste vor einigen Wochen noch jeder Umzug von Verwandten, Bekannten und Freunden selbst an den Stadtrand absolutes Unverständnis aus, wie man freiwillig so nah an den Arsch der Heide rücken kann und sich selbst von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fernhalten möchte, so kurz davor war ich gestern mir dort eine Bleibe zu akquirieren. Eigentlich ist es ja so: Je länger ich in der Stadt wohne, desto weniger kann ich mir vorstellen, wie man im Dorf überleben kann - ohne Bus und Bahn und ohne andere Infrastruktur, ohne Yoga, Cafés, die Uni und was weiß ich - und das alles auch noch bei einem Übermaß an sozialer Kontrolle durch die Dorfältesten und Dorftratschen.
Dann schrieb mir eine Freundin, die da immer noch wohnt, dass sie ein neues Fahrrad hat und damit immer ganz viel durch das Naturschutzgebiet fährt. Stundenlang. Da wurde ich ganz neidisch. Stundenlang. Ich dachte an die Weltumsegelungen, die wir als Kinder auf dem Fahrrad unternahmen. Da hätte ich auch mal wieder richtig Lust drauf. In Hamburg macht Fahrrad fahren überhaupt gar keinen Spaß – nicht, wenn man Weite gewohnt ist, denn man kommt gar nicht zum Fahren vor lauter Ampeln, Menschen und Autos. So staubt mein schönes Fahrrad aus Karl-Marx-Stadt im Keller ein. Jaaaa, zusammen Fahrrad fahren - so wie früher. Kann ich überhaupt noch Fahrrad fahren?? Auto fahren kann ich ja auch nicht mehr!! Mir gehen in der Großstadt doch langsam meine mecklenburgischen Kompetenzen verloren. Das schmerzt.
Wo war ich am glücklichsten? In der Übersichtlichkeit. Wem mache ich was vor? Ich bin ein Landei.
Es gibt Leben fernab des Trubels.

Sonntag, 12. Mai 2013

Wunderbare Zeiten

Es grault mir schon vor dem Tag, an dem mein zukünftiges Kind fragt: Mama, warum hast du nie Fotos von mir auf Facebook gepostet? Liebst du mich denn gar nicht? Wer will denn da mit Datenschutz, Privatsphäre und Stasi 2.0 kommen, wenn sich das Kind ungeliebt fühlt? Oder kaum vorstellbar, wenn mein eventuell einmal existierender 13-jähriger Sohn plötzlich Viagra nehmen will, weil er nicht achtzig Mal am Tag drei Mädchen parallel gangbangen und ich ihn einfach nicht überzeugen kann, dass das völlig normal ist, weil die Handyfilmchen seiner Schulkameraden was ganz anderes zeigen. Wer hört in der Pubertät schon auf seine Eltern? Und ehe ich mich versehe, sitzt mein Baby ohne Schulabschluss im Linienbus und fährt an die Jersey Shore, weil ich ihr zur Einschulung kein Smartphone geschenkt habe, mit dem man zum Mars skypen kann. Und da lässt sie sich dann komasaufend von allen Mitbewohnern pimpern, um anschließend bei Teen Mom mitzumachen. Und das alles noch vor Erreichen der Volljährigkeit! Oh Gott, sind in die ganzen Berechnungen, was Kinder kosten (die ich eigentlich verabscheue), schon mögliche Kautionen und Anwaltskosten einbezogen? Ich mein nur, falls meine kleine Prinzessin mal im Suff über jemanden drüber fährt, weil die Lindsey Lohans und Paris Hiltons der Gegenwart (und wahrscheinlich Zukunft) das ja auch ständig so machen, ohne dass eine wirkliche Konsequenz folgt, außer noch mehr Geld zu verdienen. Und spätestens dann ist es wohl auch schon Zeit für Celebrity Rehab. Puh! Könnte ich das aushalten? Kommt man als Mutter (oder Vater) gegen gesamtgesellschaftliche Dummdreistigkeit und Verblödung an? Oder auch gegen Alkohol- und Zigarettenwerbungen, die Coolness versprechen und selbst auf Internetseiten für Jugendliche mitten im Film eingespielt werden? Mir soeben selbst passiert, als ich mich auf viva.tv verirrte und was nachschaute; und ehe ich die eigentliche Information erhalten habe, kam erst mal Bacardi-Oakheart-Werbung. Hallo??? Liegt die Zielgruppe von VIVA nicht irgendwo zwischen 11 und 20 Jahren?
Wenn Kinder wirklich die Investition in die Zukunft sind, läuft doch irgendetwas grundlegend falsch. Vielleicht müsste man das gesamtgesellschaftliche Investment da noch mal überdenken, denn mit der Art und Weise, wie mit der Ressource umgegangen wird, kann ja niemand ernsthaft eine rosige Zukunft erwarten. Schon gar nicht für den Nachwuchs selbst.
Kann es einem als Elternteil überhaupt möglich sein gegen so viel Dämlichkeit in der Welt anzustinken? Wie groß ist die Chance, dass das eigene Kind nicht doch den Verlockungen und den Ansprüchen und Erwartungen der Gesellschaft zum Opfer fällt und sich mit 12 Jahren eine Brustvergrößerung oder Schwanzverlängerung zum Geburtstag wünscht? In einer Gesellschaft, die sich entweder zu Tode arbeitet oder von selbiger nichts wissen will. Eine Gesellschaft, die Vorbilder ungestraft Steuern hinterziehen lässt, während die Supermarktkassiererin bei einem fehlgebuchten Pfand-Bon im Wert von 1,50 € schon gefeuert wird. Eine Gesellschaft, in der nur noch das Image zählt, nicht der Inhalt. Arbeit lohnt sich für den Normalbürger nicht - weder materiell noch in Bezug auf sonstige Wertschätzung. Darum will auch niemand mehr anderen den Arsch abwischen oder Häuser bauen. Darum wollen alle Model, Sänger oder It-Girl werden. Und wenn das nicht klappt, Bescheißer.
Ich erwarte eine rosige Zukunft. Eine, die schon begonnen hat. Eine Welt, in der die Ergebnisse einer Fit-for-Fun-Studie, als wissenschaftlich relevant angepriesen werden oder am Dammtor-Bahnhof auf Großplakaten mit Nackten für einen Swinger-Klub geworben wird. Ich bin begeistert! Also, wenn wir da nicht wissen, worauf es wirklich ankommt. Pädagogisch wertvoll. Als erziehungsgeeignet empfohlen.
Neulich sagte eine Freundin zu mir, wer zu viel darüber nachdenkt und nebenbei auch noch auf den richtigen Zeitpunkt wartet, der bleibt kinderlos. Das würd ich so unterschreiben - bei gleichzeitiger Erleichterung heute nicht mehr jugendlich zu sein, auch wenn ich es mir allzu gerne einbilde!

Samstag, 4. Mai 2013

Aloha


Ja, nun ist es offiziell! Alle, die mich länger kennen, haben es schon immer geahnt oder zwischen den Zeilen gelesen: Für ordinäre Erwerbsarbeit bin ich nicht geeignet. Und nun ist der Ofen ganz aus, nachdem ich meine wahre Bestimmung gefunden habe. Ich habe keine Zeit für Arbeit. Ich bin auf der Suche nach der perfekten Welle. Wieder gelandet, muss ich allerdings feststellen, dass Hamburg nicht Lanzarote ist und ich friere, obwohl der Frühling sich momentan wirklich bemüht. Und Wellen - Ja, die sind in Hamburg auch nicht gerade zu Hause. Schon gar keine, auf denen man reiten kann. Genau das hab ich nämlich gerade gelernt oder es zumindest versucht.

Wellenreiten ist harte Arbeit und ein idealer Test, um die eigene Fitness zu bestimmen. Um meine ist es nicht besonders gut bestellt, wie ich feststellen musste. Wenn man in Hamburg den angeblich dunkelsten Winter seit 43 Jahren überlebt hat und von einer Erkältung zur nächsten Mandelentzündung stolpert, Rücken, Kopf und Magen hat - dann kackt man zunächst eher ab, weil das noch in den Knochen steckt. Zwischenzeitlich war ich mir in meinem Surf-Camp-Bett liegend so manche Nacht auch nicht mehr sicher, ob ich nur die Vorstellung vom Surfen toll finde und einem Mythos verfallen bin oder ob ich das Surfen an sich wirklich liebe. Die Frage beantwortete sich jeweils am nächsten Morgen und immer wieder gleich: Ich will! Ich will! Ich will! So sehr ich es zwischenzeitlich gehasst habe, so verschmolzen bin ich, wenn ich eine Welle erpaddelt habe und sie mich mitnahm.

Kaum in Deutschland gelandet, hab ich den PC hochgefahren und recherchiert, wie und wo ich schnellstmöglich wieder ans Meer komme. Das muss Liebe sein, auch wenn ich die Sache an sich noch nicht annähernd gut beherrsche, was in meinem Umfeld für Verwunderung sorgt, denn dazu bin ich noch von Kopf bis Fuß mit blauen Flecken übersät, die meinen Freund vermuten lassen, dass ich hinter seinem Rücken eine Ringkampfausbildung gemacht habe.

Aber: Sinnsuche abgeschlossen. In meiner Arbeit ist er mir sowieso nie begegnet und an den Konformitätserwartungen im Leben fast zu ersticken? Nein, danke! Ihr könnt mich mal! Es ist alles weg, wenn ich surfe. Da bin ich synchron mit allem und es sind keine Fragen offen.

Büro? Nerv. Ich will mir meine Surfmentalität erhalten. Gestern hatte ich eine Telefondiskussion mit meiner Schwester über das Leben im Süden. Meine Pläne kommentierte sie damit, dass da zwar schönes Wetter sei, aber man weniger Geld habe. Aber was brauch ich denn Geld, wenn ich schon da bin? Sie meinte, fürs Alter. Hä???

Ich jedenfalls bastele an meinem Ausstieg und bis dahin esse ich Urlaubsessen*!

 

 

* Urlaubsessen: Essen, das es im Urlaub gab, wie zum Bsp. ein lecker Salat mit Avocado - erinnert mich an Lanzarote. Und heute? Vielleicht kauf ich mir nachher ne Melone. Die gab's da auch!