Politik ist nicht unbedingt meins und ich habe auch
keine Ahnung. Ich verstehe die Verklüngelungen nicht und erfasse ebenso wenig
komplexe politische Zusammenhänge, aber ich verstehe, wenn jemand eingesperrt
wird, nur weil er seine Meinung kund getan hat. Und ich weiß, was Unrecht ist -
und Dummheit. Und da wird das Private dann sogar politisch. Besonders, wenn man
in einem Land geboren wurde, das es inzwischen zwar nicht mehr gibt, aber das
auch so zu funktionieren glaubte. Ein Irrglaube. Und heute für die meisten
schon so lang her, dass es selbstverständlich ist, sich auszudrücken - auf welche Art und Weise
auch immer. Gern erschöpft sich das auch in unendlichem Gejammer. Aber von
welch unschätzbarem Wert das eigentlich ist, vergesse ich im Alltag. Dabei
musste ich noch als Grundschülerin in der POS
Friedrich Engels Kampfspiele im Wald absolvieren und durch verräucherte
Areale robben - nur falls der Ernstfall eintritt und der Imperialist und
Aggressor angreift. Wir müssen ja
vorbereitet sein und unsere sowjetischen Freunde unterstützen. Und vergiss
nicht, dass du die Mainzelmännchen nicht kennst und auch nicht weißt, was eine
Barbie ist, denn Westfernsehen hast du noch nie gesehen (falls die Lehrerin mal
fragt)! Die meisten unserer Eltern wollten Veränderungen, wollten nicht
mehr eingesperrt sein, wollten sagen können, was sie wollen. Was haben wir daraus
gemacht? Nichts. Es gibt immer noch viel zu tun, sind es auch andere Themen.
Demokratische Möglichkeiten, die man einst so herbeigesehnt hat, werden kaum
genutzt, was wiederum die Gefahr birgt, dass sie eines Tages verschwinden.
Macht Freiheit lethargisch? Und hält wirklich nur die Diktatur den
Freiheitssinn lebendig, wie es Sigmund Graff mal gesagt haben soll?
Und warum nutzen wir unsere Freiheit nicht, um anderen
zu helfen, die diese Freiheit nicht haben? Redet eigentlich noch irgendjemand
über Pussy Riot? Als das Thema frisch war, bemalte sich doch sogar Madonna mit
Parolen zur Freilassung. Und nun? Alles vorbei? Die Revolution hat mal wieder
nur für eine Schlagzeile gereicht. Nicht auszudenken, was ich heute wäre, wenn
die Mauer nicht gefallen wäre. A) Mutter von drei Kindern und Sekretärin in der
LPG, B) Lehrerin und Parteimitglied, C) inhaftiert, D) Spitzel?? Von solchen
Gedankenexperimenten halte ich eigentlich nichts, denn sie blieben
hypothetisch. Theoretisch will jeder auf der richtigen Seite stehen, praktisch
kann man trotzdem das Böse unterstützen.