Sonntag, 28. Oktober 2012

Ich will doch nur spielen!

Als Kind würde ich auch verhaltensauffällig werden, wenn meine Mutter mich ignoriert, weil sie dauertelefonierend mit ihrer Freundin die Vorteile meines ADHS erörtert. Haben schließlich auch viele Spitzensportler UND Robbie Williams! So eine Flatrate will schließlich abtelefoniert werden. Ich sitz ja nur daneben. Die Frage ist, ob ich überhaupt ADHS hätte, wenn ich nicht schon immer dazu gezwungen worden wäre, irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen, um sie mal kurz vom Handy aufschauen zu lassen. Ermahnung zum Stillsein, ist schließlich auch Zuwendung, wenn auch nicht ganz die, die ich am liebsten habe. 
Oder, wenn mein Vater mich hinter sich herzieht, weil er es morgens mal wieder eilig hat, meine Schritte aber viel zu klein sind für sein Tempo - ich habe gerade erst laufen gelernt - und er komplett auf der Leitung steht und mich dann noch genervt des Bummelns beschuldigt!
Und, wenn meine Mutter sich und mir eine Warnweste anziehen würde, für den Schulweg, auf dem sie mich auch in der zweiten Klasse noch begleitet, und sich dann einbildet mein Lebensrisiko minimieren zu können, ich wiederum andererseits alle Entscheidungen selbst treffen muss und sie mich fragt, was denn heute eingekauft werden muss und ich morgen in die Schule mitnehmen will oder mein kleiner Bruder in den Kindergarten, ja, da muss ich sagen: Verdammt, ich bin ein Kind und das ist mir doch scheißegal! Morgen ist nichts, was ich mir heute schon vorstellen will und kann. Ich will auch nicht zum Ballett, sondern einfach mal ordentlich toben, auch wenn auf der Rasenfläche vor unserem Haus ein dickes Schild steht, mit dem das verboten wird. Und ich bin auch überhaupt nicht daran interessiert, dass du mir morgens im Bus ganz laut erzählst, dass du gestern Abend mit Papa eine Auseinandersetzung hattest, in der es um meinen Hortplatz ging. Hallo?? Geht‘s noch? Ich will doch nur spielen!

Sonntag, 21. Oktober 2012

Erwachsensein ist ein Arschloch

Ich gehöre zu den Menschen, die von Lady Gaga gelangweilt sind. Ihre Musik erinnert mich an Eurodance aus den 90ern und mindestens die Hälfte ihrer Klamotten habe ich auch schon mal irgendwo an anderen gesehen, vermutlich an Madonna. Aber der Jugend kann man die Jugend nicht vorwerfen. Für die ist das neu - für mich lediglich ein weiteres Indiz doch nicht mehr 13 zu sein. Manchmal erfüllt mich so eine Sehnsucht. Von Kopf bis Fuß verzehre ich mich nach 13. Das ist irgendwie in mir, ohne dass es noch mal raus darf. Aber es will so gerne. Ich habe das Gefühl, ich bin oft nur einen Steinwurf von dem entfernt, was ich sonst nur über andere lese. Seine Wünsche und Handlungen stehen in keinem adäquaten Verhältnis. Das eigene Vermögen und andererseits die Vorstellung und Wahrnehmung bezüglich der eigenen Fähigkeiten stehen in keinem angemessenen Verhältnis. Was ist denn angemessen? Ist es angemessen, wenn ich mein inneres Kind oder meine Phantasien im Griff habe? Angemessen oder nicht: Wollen wir letztendlich nicht alle dasselbe?
Die Sehnsucht in mir lässt sich nicht abstellen, doch stirbt die Hoffnung nicht zuletzt? Vielleicht ist die Chance an sich schon gestorben, aber so lange ich das Gefühl habe, sie lebt in mir, gehe ich dem Licht entgegen. Oder ist es angemessen - angebracht - Träume aufzugeben? Und wenn ja, wann ist der Zeitpunkt dafür?
Manchmal wünschte ich, ich würde es machen können wie früher, da habe ich mit meinem Lippenkonturenstift meine Augen dramatisch angemalt, so dass jeder Lehrer sagte, ich würde auch wirklich krank und schlimm aussehen und dann durfte ich ohne Konsequenzen nach Hause gehen und den ganzen Tag hatte ich zur freien Verfügung, während meine Mutter nichtsahnend arbeiten war und meine Schwester in der Grundschule. Heute muss ich die Miete zahlen. Eine eigene Wohnung ist das Ende der Freiheit, obwohl alle Jugendlichen denken, da würde sie erst anfangen.
Als neulich mal wieder ein Friseurbesuch misslang und meine Haare anstatt gesträhnt scheckig daher kamen und ich dann selbstständig meine Kreativität am Pony auslebte, um den Schaden zu begrenzen, fand ich mich danach richtig punkig und freute mich - bis mir einfiel, dass ich am Montag wieder arbeiten muss und ich damit nicht konform genug aussehe. Konform für einen Job, in dem es zwei goldene Regeln gibt: 1. Immer zuerst die Zuständigkeit prüfen. Im besten Fall ist man nicht zuständig. 2. Wer viel nach außen gibt, läuft Gefahr, auch viel zurück zu bekommen. Wann ist das passiert? Ich habe die Revolution quasi für ein Paar Turnschuhe verraten! Nun bin ich sonntags schon total genervt und steh spätestens um 10 auf. Sonst kann ich abends ja nicht rechtzeitig einschlafen und komme am Montag nicht um 5:45 Uhr aus dem Bett.
Wo ist die Liebe geblieben? Die Liebe an allem, für alles. So wie ich meine beste Freundin geliebt habe oder den ein oder anderen Popstar. Wo das Leben noch Leidenschaft und Poesie und die Vorstellung von dem war, was ich vom Leben erhoffte. Hunger nach Leben. Bedeutung für andere. Wo es nur schwarz und weiß gab, wo es keinen Unterschied zwischen dem Ende einer Liebe und dem Ende der Welt gab. Manchmal macht sie sich bemerkbar. Ist sie unsterblich? Zumindest ist es die Erinnerung daran und die erfüllt mich, wie mich früher die Hoffnung erfüllte. Und darum habe ich in der Küche gerade ein Take That Konzert gegeben und so richtig mein inneres Kind oder auch meine innere Schlampe befreit.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Diese Art von Beteiligung schätze ich nicht

Im Zustand stärkster Bewusstseinstrübung und entsprechend dem Wunsch nach sozialer Teilhabe ließ ich mich mal wieder von der Notwendigkeit blenden, mich einem sozialen Netzwerk anzuschließen, um mich doch wieder nur von dessen Entbehrlichkeit zu überzeugen. Soziale Teilhabe, gemessen an sogenannten Followern – Mmh, dann entspräche meine soziale Teilhabe dem Niveau der Exklusion. Als Nachrichtendienst taugt es auch nicht. Die Nachrichten, die dort zu lesen sind, sei es auch von großen Tages- oder Wochenzeitungen und Fernsehstationen, die habe ich vorher schon aus anderen Quellen erfahren. Und alles andere ist, wenn überhaupt, unnützes Wissen. Wer braucht die Info, dass jemand gerade falsch vor einem Hauseingang parkt, Nachbarn doof sind und schlechte Musik zu laut gehört wird; darüber wer wann Durchfall oder einen Kater hat, welche Songs wo runtergeladen werden, sich ‘ne Tussi bei OTTO einen Pullover bestellt, was dazu gegessen hat oder Kommentare zum laufenden TV-Programm?? Ich bin mir nicht mal sicher, ob das überhaupt schon als Information gilt?!
Wen interessiert’s? Nur, weil es diese Möglichkeit gibt, muss man sie ja nicht nutzen, denn für mich hat sie keinen, einen Nutzen. Wie sagte Leonard Cohen gestern Nacht so schön: Nur weil meine Musik populär ist, heißt es nicht, dass sie gut ist. Es heißt erst mal nur, dass sie populär ist. Würd ich auch fürs Zwitschern so unterschreiben.
Ich glaube allerdings, dem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein, warum die Menschheit panische Angst vor der Datenspeicherung sozialer Netzwerke hat und vor allem davor, dass diese Daten in falsche Hände geraten. Ja, das sollten wir auch, Angst haben, denn jeden Tag tritt die Menschheit millionenfach an, der Nachwelt zu hinterlassen und zu beweisen, dass wir strunzdumm sind. Ich hab auch Angst davor, dass meine Nachkommenschaft eines Tages entdeckt, dass ich dabei gewesen bin. Diese Art von Beteiligung schätze ich nicht. Schluss, Aus, Ende mit dem Strunzen, durch ständige Großmäuligkeit seine Dummheit zu zeigen. Einfach mal die Finger stillhalten.
 
 
Und was ich seitdem alles geschafft habe!! Ich muss ja nicht mehr darüber nachdenken, was ich als nächstes poste, was hashtags sind und warum ich die meisten Nachrichten, die zu fünfzig Prozent aus kuriosen Zeichen bestehen (#, @ ….), nicht verstehe, wo ich nicht mal SMS-Kurzschrift beherrsche, weil ich aus einer Zeit komme, in der Kurzschrift noch Steno hieß. Soviel Zeit!
Zeit, Brandon Boyd beim Singen anzuschmachten, mich exzessiv der Wohnungspflege inklusive Kloputz und Abwasch zu widmen, Gespräche zu führen, meine schon seit Monaten leidende Topfpflanze endlich mit genug Erde zu bedecken, mich ohne Beschränkung in ganzen Sätzen zu äußern, ausschlafen, fünfundzwanzig Kilometer auf dem Elbwanderweg von der Hafen City (Was man immer auch von dieser halten mag… - vielleicht das nächste Mal!) bis zum Willkomm Höft in Wedel zu beschreiten, dort dann fast anfangen zu heulen, mich für zwei Stunden auf 3sat in oben erwähnten Leonard Cohen zu verlieben, über die Rettung der Elefanten und den Erhalt des Botanischen Gartens nachzudenken und… und… und…
 
PS: Weiß Helmut Schmidt eigentlich, dass ihn jemand bei Twitter angemeldet hat?

Sonntag, 7. Oktober 2012

Gleichermaßen irritiert wie verstört

Hallo meine liebe, ich habe hier mal einen ganz interessanten Bericht für dich. Vielleicht ist dir das ja nicht neu, aber ich musste gleich so an dich denken…
(An dieser Stelle sind zwei Links eingefügt, die mich auf Seiten führen, die die heilende Wirkung von Hanf lobpreisen.)
Ich will dich damit natürlich nicht bekehren, aber wenn es dir schlecht geht, ist das zumindest ein Versuch wert. Dass es Gesetze gibt, bedeutet nicht immer, dass sie auch richtig sind. In diesem Fall stecken ganz eindeutig die Pharma-, Holz-, Papier-, Chemie-, Alkohol- und weiß der Geier was Konzerne dahinter, wenn eine 5000 Jahre alte Nutzpflanze, die jahrhundertelang in der Pharmazie und Medizin anerkannt war, verboten wird.
(Es folgt ein weiterer Link zu einer Seite, die sich eingehend mit der subjektiv empfundenen Unsinnigkeit des Seitenbetreibers in Bezug auf das Cannabisverbot befasst.)
Also, falls du es mal ausprobieren möchtest, kann ich dir sicher helfen. Knutschi und ne dicke Umarmung.
(Als PS natürlich noch ein Link, der Bezug auf das Kiffen gegen Schmerzen nimmt.)

Der Sonnabend begann mit dem Lesen dieser Email und es schrie mir eher nach dicker Tüte als nach der Umarmung. Gilt das schon als Spam, obwohl die Mail von einer Freundin kam? Und ist das wirklich meine Freundin? Hat dem ein oder der anderen der pubertäre Drogenkonsum mehr geschadet als mir? Ist diese Pubertät womöglich nie abgeschlossen worden? Oder ist die Experimentierfreude von damals in einen Lebensstil umgeschlagen, der nun zur Krankheit geworden ist? Denn mit Krankheit wird hier ja argumentiert. Cannabis wird mir als Heilmittel all meiner Probleme dargeboten, die ich gesundheitlich jemals hatte. Sie könne mir bestimmt helfen…? Gleichermaßen irritiert wie verstört denke ich darüber nach, wer hier eigentlich Hilfe braucht, denn ich bin kerngesund und habe in letzter Zeit auch keine Schmerzen gehabt. Mir fehlt da jegliche Anknüpfung. Da muckt seit Jahren nichts mehr. Und ich komme nicht umhin, mich zu fragen, welche Alibi-Krankheit sie denn kuriert. Ich hoffe inständig, dass es nicht das Gedankenkarussell ist, denn das hält vielleicht mal kurz an, dreht sich dann aber umso schneller oder vielleicht nie mehr wirklich, außer um sich selbst, was ja die langweiligsten Gesprächspartner auszeichnet, die sich allerdings selbst in der Gewissheit wähnen, die größten Dichter und Denker in unserem Universum zu sein. Nennt mich spießig, aber Alkohol hat ja auch schon nicht geklappt, obwohl auch dieser seit Ewigkeiten als Heilmittel eingesetzt werden kann. Ich arbeite schon zu lange in der Sozialpsychiatrie, als dass ich auf das Versprechen schneller Lösungen hereinfallen könnte. Daran glaube ich genauso wenig wie an Erleuchtung durch Bezahlung. Einige von denen, die diesem Versprechen auf den Leim gegangen sind, brauchen heute meine Behandlung, nachdem IHRE beispielsweise zur drogeninduzierten Psychose führte und vom Körper auch nur noch ein Häufchen Elend übrig ist. Denn wie jede andere Medizin, ist auch diese nicht in der Lage universell heilend zu sein. Vielleicht mag sie bei körperlichen Schmerzen kleine Wunder bewirken, bei seelischen tut sie es nicht. Und wie jedes andere Medikament, wenn man es denn als solches betrachten will, sollte es mit Bedacht dosiert sein und nur für begrenzte Zeit konsumiert werden. Nun ist der menschliche Körper und Geist nicht gerade dafür bekannt, gut Maß halten zu können, gerade wenn es zunächst Spaß macht und scheinbar die Erlösung bringen kann, die man sich erhofft. Wie gut sich Konsumenten plötzlich immer in der Medizin auskennen, wenn es darum geht, den Konsum zu rechtfertigen. Keiner dieser Personen würde doch mit einer solchen Überzeugung Morgenurin trinken, der im Übrigen aber mindestens genauso heilend sein soll. So wie es passt…
Und nein, danke, denn nun bin ich trotz ungünstiger Disposition und destruktiver und autoaggressiver Jugend so alt geworden, da fang ich doch jetzt nicht mehr mit dem Kiffen an. Irgendwann ist auch mal gut. Denn ich habe keine Lust darauf auf ewig ernsthaft irritiert und verstört zu sein.