Dienstag, 24. März 2020

Zu zweit allein zu Haus



Ich weiß nicht, wie viele Beiträge ich in den letzten Tagen dazu gelesen oder verlinkt bekommen habe, wie Familien das jetzt alles machen oder was das Coronavirus mit ihnen macht. Das frage ich mich auch, als jemand, der mit dem Kind allein die ganze Familie bildet.

Was macht das mit meinem Kind? Wenn ich es überall hin mitnehmen muss, weil bedauerlicherweise kein Dorf zur Verfügung steht? Wenn ich es – wenn auch so selten wie möglich, weil so viel gekauft wird, wie ich schleppen kann – mit in den Supermarkt nehmen muss, wo ständig Leute mit Masken und Handschuhen an uns vorbeigehen? Wenn Hände waschen jetzt über allem steht und jede zweite Ermahnung diese Handlung betrifft? Wenn Kratzen im Gesicht, nachdem der Einkaufswagen berührt wurde, bei mir schon einen mittleren Panikanfall auslöst? Wenn auf einmal alles verboten ist? Halt Abstand, mach dies nicht, lass das sein, weich der Frau aus, fass das bloß nicht an, bleib hinter der Absperrung!

Kurzfristig führt es jedenfalls zur Verzweiflung und Wut, Tränen und neuen Spielen. Plötzlich war der Flur gestern in Warteabschnitte eingeteilt. („So, ich denk mir jetzt auch Sicherheitsregeln aus!“) Und es führt zu Angst. Ganz konkret wurde befürchtet, dass alle Verbrecher draußen frei herumlaufen, wenn jetzt auch noch die Polizei schließt. Aber hat es auch langfristige Folgen? Angststörung? Handwaschzwang?

Und dann bin ich selbst angespannt. Und drüber. Und krieche auf dem Zahnfleisch. Hab Kopfkino und überleg mir, wie ich eine Minute in Ruhe überlegen kann, wie wir jetzt zur verschissenen Post kommen, ohne den Bus zu benutzen, weil mir das Paket am Samstagmorgen nicht zugestellt werden konnte. Ja, das war völlig unmöglich. Aus welchen Gründen auch immer. Und dann muss ich aufpassen, dass ich das Kind nicht auch noch anschnauze, weil mir gerade zum Schnauzen ist.

Während andere Sprachen lernen oder sich im Home-Office abwechseln, überlege ich mir, ob ich mein Vitamin C in Sekt auflöse, einfach um mal runter zu kommen. Zu zweit hocken wir jetzt seit 9 Tagen mehr oder weniger die gesamte Zeit in dieser Stadtwohnung, die von Tag zu Tag kleiner wird. Frühstück, Mittag, Abendbrot. Spielen, Basteln, Bücher, Kuchen backen, Jeden Tag ein bisschen Auslauf, bei dem man zwar Abstand hält, aber immer das Gefühl hat, dass die Leute einen strafend ansehen, wie man es denn wagen kann, sich ohne festes Ziel draußen fortzubewegen. Dabei ist das Ziel ganz klar: Drinnen nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Und bei den festen Zielen waren wir ja schon. Supermarkt. Hier und da wird das Kind auch vor dem Fernseher geparkt. Einfach weil ich wenigstens ohne Zuschauer auf die Toilette will (natürlich unter möglichst geringer Verwendung von Toilettenpapier).

Nächste Woche muss ich wieder zur Arbeit. Mir ist noch völlig schleierhaft wie das funktionieren soll. Meine Arbeit ist im Home-Office eigentlich nicht durchführbar. Und wenn man sie so ummodelt, dass dies der Fall wäre, so habe ich immer noch meinen persönlichen Assistenten bei mir, der sich nicht davon abbringen lassen wird, mich tatkräftig zu unterstützen. Dabei würde ich gerade nichts lieber tun, als ganz normal zur Arbeit zu gehen. Es hört sich vielleicht echt jämmerlich an, aber in meinem Alleinerziehenden-Leben sind dies die nahezu einzigen visuellen Direktkontakte mit erwachsenen Menschen. Ich hatte seit der Trennung schon einige Momente, in denen ich unter fehlendem Austausch gelitten habe. Aber mehr denn je fehlt mir gerade sowas wie Partnerschaft, eine Familie, geteiltes Leid.