Sonntag, 30. Dezember 2012

Arm und Reich

Führen die Deutschen eigentlich die Statistik der depressiven Nationen der Erde an? Es ist mir früher nie aufgefallen, wahrscheinlich hab ich auch auf der Welle gesurft, aber da ich gerade überaus glücklich bin, wird mir permanent das Gefühl vermittelt, ich sollte mich doch zumindest deshalb schlecht fühlen. Wenn man nicht depressiv ist, dann doch mindestens unzufrieden mit der Gesamtsituation - Stöhnen und Jammern auf ganz hohem Niveau. Man ist gesund, bekleidet Leitungsfunktionen, baut ein Haus (lässt bauen), macht luxuriöse Fernreisen, pflanzt sich fort, fährt ein schönes Auto und häuft Dinge an - und gönnt dem anderen nicht die Butter auf dem Brot. Denn trotz Fülle sind die meisten leer. Da wird gemeckert, gemotzt und Anspruch auf Mehr und Wachstum erhoben. Wir haben nichts dazu gelernt und setzen weiter auf das, was uns kontinuierlich in den Ruin treibt. Nur Ökonomen und Idioten glauben an unbegrenztes Wachstum, hat eben jemand im Fernsehen gesagt. Der Mensch wird nicht artgerecht gehalten und das treibt wundersame Blüten.
Neulich lag ich morgens im Bett und dachte das erste Mal in meinem Leben: Ich bin reich! Seit diesem Jahr kann ich all meine Rechnungen zahlen und ich war sogar im Urlaub an der Ostsee. Ich habe eine Waschmaschine und muss nicht mehr alles in den Waschsalon buckeln und ich hab das ein oder andere Mal auswärts gegessen oder nicht ausschließlich die billigsten Produkte im Supermarkt gekauft. Ich war im Kino, ohne dafür in der darauffolgenden Woche am Essen zu sparen. Ich bin reich! Ich habe alles, was ich brauche und kann jetzt anfangen Geld anzuhäufen. Am selben Morgen komme ich zur Arbeit und eine Kollegin, die im Februar in Rente geht, wedelt mit ihrem Rentenbescheid und gibt dabei bekannt, sie werde demnächst in Armut leben müssen. Als Rentenbetrag nennt sie ein paar Euro über meinem derzeitigen Gehalt. Hallo? Armut?
Ich habe keine Vorsätze fürs nächste Jahr, ich wünsch mir was. Ich wünsche mir, dass ein Funken Lebensfreude auf die Menschen springt, vielleicht wird bei dem ein oder anderen gar eine Flamme oder ein Feuer draus. Und er oder sie hört auf zu stöhnen, weil es noch mehr sein könnte oder auch total beliebt, sich mit Anfang 20 obsessiv Gedanken über die eigene spätere Rente zu machen und dafür zu schuften und zweifelhaften Versprechungen hörig zu sein. Es gibt keine Versicherung für die Zukunft. Es gibt ein Leben. Und das könnte wirklich besser und reicher sein - wenn wir anfangen an der richtigen Stelle zu suchen. In diesem Sinne: Alles Gute für das Jahr 2013!

Sonntag, 23. Dezember 2012

Sie dreht sich

 
Sie dreht sich nach wie vor. Dann auf zum nächsten Großereignis auf dieser Erde. In diesem Sinne….
 

Freitag, 14. Dezember 2012

Überrannt von unschönen Dingen

So sehr ich grundsätzlich adventlich eingeschwungen bin, so bin ich gegenwärtig auch genervt. In diesen Tagen wird man quasi überrannt von unschönen Dingen, die sich leider nicht ausblenden lassen. Angefangen hat es mit der spontifixen Idee einer Kollegin, die uns anpries, die Weihnachtsfeier in diesem Jahr in unserem Büro abhalten zu können. Jeder bringe etwas mit und dann wird‘s schon gemütlich - so wie früher. Früher hab ich da noch nicht gearbeitet, aber es muss heiß hergegangen sein. Abgesehen davon, dass ich wenig Wert darauf lege, mich über die Arbeitszeit hinaus mit einigen Kollegen aus unserem Haifischbecken zu umgeben, habe ich auch keine Lust, mit denen heiß zu werden. Wir haben es innerhalb der letzten Monate kaum geschafft, warm zu werden. Wie auch immer. Viel mehr zu schaffen, macht mir da der Teil mit Jeder bringt was mit! Kochen ist ja in und wird leidenschaftlich von der Mehrzahl der Arbeitskollegen ausgeübt. Man is(s)t anspruchsvoll. An mir ist dieser Trend des Kochens irgendwie vorbeigegangen, nein, eigentlich sogar gerannt, vor mir davon gelaufen; hier und da mal ein kleiner Anfall, der schnell vorüberging und nicht dazu geführt hat, dass ich da irgendwelche nennenswerten Kompetenzen entwickeln konnte, so dass meine Küchen-und Kochkenntnisse sich eher auf Erstsemesterniveau befinden (gerade bei Mutti ausgezogen). Dementsprechend verfüge ich weder über Vorräte noch über spezielle Zutaten und Gewürze. Speziell wäre in meinem Fall schon Knoblauch. Brauch ich nie. Hab ich nicht. Das heißt, die Beschaffung der Zutaten - für selbst das einfachste Gericht - bedeutet in meinem Fall schon ein Großeinkauf und kostet mehr als der gewöhnliche Anteil für eine stinknormale Weihnachtsfeier mit Vollverpflegung und Bespaßung. Grr. Ich verfüge auch über kein Behältnis, in dem ich solche Mengen an Nahrung, die da als Beitrag von mir verlangt werden, transportieren könnte. Spätestens da erscheint mir doch der Begriff Weihnachtsfeier nicht angemessen. Grund zu feiern, ist das alles nicht. Aber leider konnte ich gar nicht so schnell gucken, wie ich ungefragt von allen Seiten überstimmt wurde.
Nachdem ich ein Rezept gefunden hatte, das als simpel eingestuft ist, hab ich gestern im Supermarkt schon mal den Proberundgang gemacht, ob ich da dann nächste Woche auch alles finde, was ich so brauche. Im Leben hab ich z.B. noch nie getrocknete Tomaten gekauft und weiß nicht annähernd, wo die liegen (oder stehen?!) könnten. Aber was soll ich sagen? Weniger die Zutaten, viel mehr fiel mir da die neueste Spendenaktion ins Auge. Mehr als kurios. Nächstenliebe 2.0: Hinter der Kasse sind jeweils Körbe aufgestellt, in die man vorher gekaufte Waren tun kann, um sie der Tafel zu spenden. Erst dachte ich: Super Idee. Dann: Abzocke. Alles entbehrlich. Wenn der Supermarktchef nicht jeden Abend alles in die Container schmeißen lassen würde, was annähernd das Verfallsdatum überschritten hat, dann bräuchte nicht ein Mensch spenden (und dafür extra bezahlen), sondern es wäre mehr als genug für die Tafel übrig und die Körbe würden überquellen.
Von Spendenaktionen habe ich diese Woche sowieso die Nase voll. An jeder Ecke wird um eine Spende gebeten. Morgens im Radio, tagsüber auf der Straße, nach Feierabend in der Post und abends im Fernsehen. Die Not ist scheinbar zur Weihnachtszeit am größten oder geht man davon aus, dass unser Herz zu dieser Zeit ganz groß ist und wir umso spendabler? Selbst, wenn dies so sein sollte: Irgendwann ist dennoch die Schmerzgrenze erreicht. Wenn aus bitten, betteln wird. Auch, wenn es für die Umwelt ist, aber da bin ich mir im Nachhinein auch nicht mehr so ganz sicher. Als ich vorgestern aus dem Globetrotter marschierte, sprach mich am Ausgang eine Greenpeace-Frau an. Und ich muss sagen, Greenpeace habe ich auch für schlauer gehalten. Natürlich wollte man mir die Mitgliedschaft ans Herz legen. Soweit in Ordnung. Dann bat man um meine Unterschrift zum Schutz der Arktis. Auch gut. Ich sollte unterschreiben und irgendwann würde meine Unterschrift dann mit allen anderen in einer unzerstörbaren Kapsel vier Kilometer unter dem Pol versenkt werden. Ich zitiere: "Mit Ihrem Namen - aufbewahrt in einer unzerstörbaren Kapsel am Nordpol - treten Sie für den Schutz der Arktis ein!" Da war ich draußen. Wenn es so einfach wäre! Mir stellt sich hier vor allem die Frage, ob die Arktis noch mehr Müll gebrauchen kann, besonders in Form einer unzerstörbaren Kapsel?! Wie genau soll ihr das jetzt helfen?
Ich werde mir das mal genauer überlegen. Oder auch nicht. Vielleicht hat Greenpeace ja Lust darauf zu antworten. Ich trink jetzt Glühwein und mach Platz für schöne Dinge.
 

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Beschenkt

Ob man Advent und Weihnachten mag, ist wohl auch abhängig davon, welche Erfahrung man in der Kindheit damit gemacht hat. Scheinbar war es für den Großteil der Menschheit die Hölle auf Erden, denn überall begegnen mir miesgelaunte Zeitgenossen, die sich der Beschenkung erwehren und dies auch gleich bei anderen voraussetzen. Ein jeder hat ja sowieso schon alles und würde man jedem oder jeder etwas schenken - das kann sich ja nun wirklich niemand leisten. Tja, das kommt ganz auf den Standpunkt an und auf den Maßstab, ab wann ein Geschenk als gut gilt. Wann ist das passiert, dass man an Geschenken rummotzen darf? Wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, ab dem Geschenke nichts Besonderes mehr waren, weil es alles gibt und das zu jeder kleinsten Gelegenheit. Da steigt die Erwartung. Wenn man zu Ostern ein Auto von seinem Verlobten bekommt, was bleibt dann für Weihnachten übrig; und was machen die, die da nicht mithalten können?
Ich platze vor Freude, dass Weihnachten bei uns nie ein Wettbewerb war. Meine Erinnerungen an Weihnachten sind weniger die Geschenke an sich, sondern die Heimlichkeit, Spannung und Aufregung, dass es überhaupt Geschenke geben wird. Die Wartezeit, die man in der Schule und im Hort mit Weihnachtsmusik verbracht hat, Kindertheater besuchte oder Weihnachtsmärchen sah, Plätzchen bei Oma genascht hat oder ihr beim Backen helfen durfte, Schneemänner, bunte Lichter. Bei uns war es fantastisch.
Es hat sich auch niemand beschwert, dass man sich von einer Mahlzeit zur nächsten frisst. Wir schlemmten uns durch die Leckereien und freuten uns darüber. Mit allen Verwandten, die sich auch freuen wollten - ohne weihnachtliche Familienstreittotaleskalation. Und selbst wenn an Heiligabend dann auch mal ein Geschenk dabei war, das man doof fand - egal. Auch der hässlichste Pullover wurde ab und zu aus dem Schrank geholt und getragen, wenn der anverwandte Schenker zu Besuch kam. Heute heißt es im Bus: Wenn die mir wieder so ‘n Scheiß kauft, tausch ich das um oder zieh ihr eine rein. Hätt ich mich nie getraut. Und ich hatte auch keinen Grund dazu. Als ich klein war und ein Puppenhaus wollte, es weder eins zu kaufen gab, meine alleinerziehende Mutter es sich hätte auch nicht leisten können, hat mein Opa mir eins gebaut. Meine Großtante hat aus einer alten Gardine mal ein Prinzessinnenkleid für mich genäht. Meine Mutter hat über ihren Cousin aus Stuttgart Comics ins Land geschmuggelt, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Hab ich da Grund zur Beanstandung? Nö! Im Gegenteil. Ich war nie glücklicher darüber in einer Mangelwirtschaft groß geworden zu sein. Das ist quasi ein Geschenk fürs Leben. Denn so hab ich das Besondere schätzen gelernt - weil ich die Chance dazu hatte. Und das Besondere gibt's manchmal für lau. Mir fiel in diesen Tagen die Werbung eines Spielzeuggeschäfts ins Auge, ähnlich wie sie mir 1989 schon einmal erschien. Eine Doppelseite bunter Bilder mit Geschenktipps zu Weihnachten. Kurz nach dem Mauerfall, weiß ich gar nicht, wie ich als Kind an diese Werbung gekommen bin, denn weit und breit gab es bei uns ein solches Geschäft nicht. Meine Schwester hatte den gleichen Prospekt. Wir schauten uns jeden Tag glücklich. Es war gar keine Frage, das dort Abgebildete haben zu wollen, es war schon eine Bereicherung und ein richtiger Schatz die Werbung zu besitzen.
                                    
Zwar muss ich nun selbst die Plätzchen backen und das bei hauswirtschaftlicher Minderbegabung, aber ich lass es mir auch dieses Jahr nicht nehmen, zu Weihnachtsmusik durch die Küche zu hüpfen und mich auf Weihnachten zu freuen. Und das beste Geschenk: Wenn alle Geschwister aus ihren Ecken kriechen und einmal im Jahr bei Muddi zusammenkommen.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Schwarmintelligenz

Der kleinste gemeinsame Nenner reicht aus, um einen Hit zu statuieren. Bei tausenden von Kommentaren oder Klicks - ja, da hat man es wohl geschafft. Soll die Schwarmintelligenz sein, von der ich in letzter Zeit so oft hörte. Aber, darf und kann man da überhaupt von Intelligenz sprechen und wenn ja, was sagt das dann über einen selbst aus? Zum Beispiel über die Sprecherin von YouTube, die ich kürzlich im TV sah, bei der Behauptung, durch diese Art von Intelligenz würden qualitativ gute Beiträge immer denen überlegen sein, die nicht so gut sind. Der Schwarm hat immer Recht! Alle eingestellten Beiträge auf YouTube könne man nicht kontrollieren. Die Kontrolle erfolge aber zwangsläufig durch den Schwarm, also die Konsumenten. Mmh, ich frage mich: Was ist, wenn die Kontrolle durch den Schwarm versagt, weil alle aus Versehen oder zunächst vielleicht auch mit Interesse draufgeklickt haben, aber erst später feststellen, dass es strunzdoof ist, was sie da anschauen?  Oder Idioten klicken?! Dann würde die Masse im schlimmsten Fall überhaupt nichts über die Klasse aussagen. Das Wort Schwarmintelligenz in Bezug auf Qualitätskontrolle im Internet ist demnach genauso bescheuert wie das Wort Nutzererlebnis. An beides glauben nur Leute, die sonst kein Leben mit Inhalt haben. Ich muss sagen, es geht mir insgesamt langsam auf den Geist, dass so Wenig Substanz hat und Werte aufgegeben werden, nur weil man die Konfrontation scheut oder es zuviel Arbeit macht. Und ich möchte mit den Worten von Anatole France ergänzen: Wenn 50 Millionen Menschen etwas Dummes sagen, bleibt es trotzdem eine Dummheit.