Sonntag, 5. Juni 2011

Aber morgen...

Ist ja fett und Fett MTV! Aber richtig fett will keiner sein. Auch nicht im Jahr 2000. Das ist genau wie mit einer Brille, aber ne Sonnenbrille trägt man schon im Schatten. Jedenfalls mache ich ab morgen Diät.

Eine hochwertige Trinkmahlzeit mit Vitaminen, Proteinen, Mineral- und Ballaststoffen steht bereit. Lecker. Sogar Geschmacksrichtung Schoko. Wenn schon abnehmen, dann mit Spaß. Den habe ich nicht lange, denn schnell ist das Geheimnis des Diätgetränks gelüftet: Magenkrämpfe, tränende Augen, Übelkeit, Dauersitzungen auf Toilette. Kein Wunder, da denkt doch kein Mensch mehr ans Essen. Meine Schwester findet mich kalkweiß vor und fragt erschrocken, was denn mit mir los sei. Zum Antworten komme ich erst einmal nicht... Stunden später erkundigt sie sich, ob es mir besser ginge, worauf mein Bruder sagt, ich würde mich wenigstens schon wieder ein wenig von der Tapete abheben. Hahaha! Letztendlich habe ich beschlossen, dass ich mir Essen verdient habe. Irgendwie muss ich doch wieder zu Kräften kommen und den Diätdrinkgeschmack loswerden. Aber morgen!

Morgen ist mir noch nicht richtig gut und überhaupt... Zwar kriege ich vor Fett keine Luft, aber die Menstruation. Der Feind einer jeden Diät. Schokolade, Eis. Abends sehe ich TV total: Rutscher oder Lutscher. Da leuchtet mir wieder ein, ich sollte abnehmen. Bei mir müsste die Sendezeit verlängert werden. Ein Rutscher wäre ich nicht. Zum Rutschen würde ich nicht kommen, denn mein Fett würde vorzeitig das Treppengeländer umschließen und so käme ich niemals unten an. Gleich morgen koche ich mir den Blitz-Diät-Eintopf.

Ja, morgen. So schlecht kann es mir gar nicht gehen, dass ich den nochmal anrühre oder auch nur daran rieche. Okay, am besten den Hunger wegsaufen. Ja, Wasser! Mehr! Sport soll auch helfen. Uh, ich niese. Krankheit wäre nicht schlecht, da hat man keinen Hunger. Ach, ich rauche erst mal eine. Soll das Verlangen nach Nahrung ja auch hemmen.

Und Sport. Ich entscheide mich fürs Schwimmen. Bloß nicht mit dem Auto zum See. Da nehm ich lieber gleich das Fahrrad. Abnehmen im Alltag. Nur der Nachbarort wäre zu billig, wenn schon Bewegung, dann richtig. Etliche Kilometer zu meinem Lieblingsbadesee, Verzicht auf Gangschaltung (eher der Tatsache geschuldet, dass mein Fahrrad noch aus Karl-Marx-Stadt stammt) und andere Annehmlichkeiten, pralle Sonne, Wind von vorn (aber den hat man ja eigentlich immer). Ich hätte quasi auch zum Plattensee fahren können und erntete schon Spott als ich von meinem Vorhaben beim Frühstück erzählte. Dieser spöttische Das-schafft-die-nie-Blick. Wir werden sehen.

Bereits nach zwei Kilometern japse ich wie eine Oma mit Lungenschaden. Mein Arsch schmerzt, ich schwitze. Kurzum, ich kann nicht mehr. Stunden später erreiche ich den See. Abkühlung. Ich schwimme, wie ich es kürzlich bei den Schwimmmeisterschaften im Fernsehen beobachten konnte. Eine Stunde. Na, und die haben doch auch schöne Körper! Ich bin auf dem richtigen Weg.

Frisch und munter trete ich die Rückfahrt an. Tour de France - ich komme! An dieser Stelle möchte ich doch alle Kinder oder wen auch immer noch einmal ausdrücklich ermahnen, nicht einmal daran zu denken, auch nur irgendetwas, das im Fernsehen läuft, nachmachen zu wollen. Unterwegs stellte ich jedenfalls aufwachend fest, dass ich tot bin. Ich muss wohl einfach vom Rad abgefallen sein.

Der ein oder andere könnte durchaus auf die Idee kommen, ich langweile mich, aber da kann ich noch eins draufsetzen. Ich habe mich dann auch noch dazu hinreißen lassen, am Folgetag eine Radtour mit meinen Eltern zu machen. Ich konnte es kaum fassen, dass mein Stiefvater fitter ist als ich. Da ich nicht einmal halb so alt bin, konnte ich es mir natürlich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen und spielte mal wieder Jan Ullrich. Am Ziel angekommen, hatte ich erneut eine Vorstellung von der Tour de France. Nach kurzer Erholung sprang ich in die Fluten des nahe gelegenen Baches und absolvierte ein Olympia-Schwimmtraining, immer dazu bereit zu beweisen, dass ich jung und drahtig bin. Vielleicht hätte ich mir da schon mal ins Gehirn rufen sollen, dass ich auch noch irgendwie zurück muss. Ich danke meinem Körper - ich habe es geschafft. Dass ich meinen Arsch nicht mehr spürte oder eigentlich spürte ich ihn schmerzlich, muss ich wohl nicht extra betonen. Das schöne an der Tour war, dass ich meine Mutter nebst Mann mehrmals ermahnte, sich auch schön einzucremen, wegen der Sonne, was die beiden dennoch nicht taten. Ich hingegen war die fleischgewordene Cremewurst auf zwei Beinen und die einzige, die letztendlich einen Gesichtssonnenbrand davon trug. Das hat sehr zur Erheiterung der beiden älteren Menschen beigetragen, die sich meine Eltern nennen.

Aber das alles war mir noch nicht Anstrengung genug. Während ich schlief, brachte ich nachts dann noch mal spontan Zwillinge zur Welt. Das kuriose daran war, dass mich der Arzt nach dem ersten Kind wieder nach Hause schickte, weil das zweite Baby noch keine Lust hatte. Ich brachte es zwei Tage später bei meiner besten Freundin im Bad zur Welt.

Ja, und dann das Treffen mit genau dieser Freundin. Sie, die Dauerdiät hält, die Prophetin der Disziplin. Gerade ihr habe ich großspurig von meinen Plänen berichtet. Und so fragte ich mich bereits nach einer Stunde: Mein Gott, wie lange will die denn noch durchhalten? Gibt es Menschen, die einfach nie Hunger haben? Bloß nicht zuerst essen oder den Hunger zugeben! Ich finde zeitnah einen Vorwand für mein Verschwinden.

Ich will so bleiben wie ich bin! Elf Jahre und viele Leckereien später gilt das immer noch.