Samstag, 12. April 2014

BRAVO


Was musste ich gestern lesen? Die BRAVO hat infolge von Sparmaßnahmen Dr. Sommer gefeuert! Bravo? Bei mir kommt da fast ein bisschen Wehmut auf. Was hatte ich Spaß mit der BRAVO, mit Dr. Sommer und auch mit der Rubrik Liebe, Sex und Zärtlichkeit! Woche für Woche habe ich neuen Problemen entgegengefiebert, wie z.B. Kann man ein Kondom zweimal benutzen? Beim zweiten Mal haben wir es zur Sicherheit auch umgedreht. Oder: Nach dem Sport habe ich die anderen Mädchen nackt in der Umkleide gesehen und festgestellt, dass meine Schamhaare viel drahtiger sind, als die der anderen Mädchen. Bin ich normal? Schon damals kam bei mir die Frage auf, wie man das durch bloßes Sehen feststellen kann. Aber gut.

Jeden Donnerstag nach der Schule konnte ich es kaum erwarten, mich auf das Fahrrad zu schwingen und zu meiner Freundin zu fahren, die über ein BRAVO-Abo verfügte. Ich glaube, manchmal hatte sie - zumindest donnerstags - das Gefühl, dass ich die BRAVO lieber mag als sie. Aber meine Mutter hatte mir und meiner kleinen Schwester nur die Mickey Mouse abonniert.

Stars, die wir nicht leiden konnten, haben wir angemalt, quasi adäquat verschönert. Und um die Poster derer, die wir begehrten, haben wir uns gestritten. (Natürlich hat sie gewonnen, war doch ihre BRAVO.) Und als wir uns als aufgeklärt genug ansahen, haben wir Probleme eingeschickt, die wir uns ausgedacht haben, unter Angabe falscher Namen. Natürlich favorisierten wir die Namen von Klassenkameradinnen, die wir nicht ausstehen konnten, weil sie uns scheiße behandelten. Im Namen derer und mit Foto gaben wir auch gern mal die eine oder andere Kontaktanzeige auf. War das ein Spaß. Aber der größte Spaß war, sich Geschichten über unser erstes Mal auszudenken (welches zum damaligen Zeitpunkt noch Lichtjahre entfernt lag), um Geld dafür zu gewinnen, wenn diese abgedruckt werden. Es ist uns nie gelungen, was mich im Nachhinein nicht wundert, denn bereits der erste Satz klang wahrscheinlich so hölzern und ausgedacht, dass unsere Einsendung gleich in den Reißwolf kam - oder an die Pinnwand im Redaktionsbüro als Aufheiterung, wenn man mal schlecht drauf kam. Eigentlich hatten wir keine Ahnung, waren annähernd entwicklungsverzögert und spielten noch mit Barbies. Komischerweise weiß ich sogar noch, was wir spielten: Internat. Ich hatte keine richtige Barbie, sondern eine Billigversion, die auch noch rote Haare hatte. Im Kreise meiner lieben Klassenkameradinnen war ich damit immer der Buhmann, ähm, die Buhfrau, und musste die Internatsblöde spielen, die von allen total gemobbt wurde, weil sie einen hässlichen Hut trug. Dieser Hut war die Hälfte der Eierschale einer Kinderüberraschung... Kinder können so grausam sein. Aber all das BRAVO lesen hat mit zunehmendem Alter irgendwie dazu geführt, dass zumindest eine von uns spielen wollte, dass ihre Barbie nackt vom Felsen fällt und Ken sie dann retten muss und natürlich über sie herfällt. (Mmh, warum sollte jemand nackt vom Felsen fallen? Hab ich darüber eigentlich schon mal nachgedacht?) Anschließend fuhren beide jedenfalls in Kens Auto davon.

Ach, es war so schön, damals als noch nicht alle berühmt werden wollten, sondern Sekretärin. Aber zugegeben, in der Foto-Love-Story wollte ich schon gern mal mitspielen. Und ein Geständnis kann ich noch hinzufügen: Ich habe Dr. Sommer einmal ernsthaft um Rat gebeten. (Natürlich heimlich.) Gut, er hat mir nicht das geantwortet, was ich hören wollte, aber er hat sich echt Mühe gegeben und mir irgendwie auch weitergeholfen. R.I.P., Dr. Sommer! Bravo!