Mittwoch, 16. November 2011

MTV-Oma

In meinem Alter hatte meine Mutter bereits zwei Kinder, die schulpflichtig waren. Ich bin immer noch beruflich und im Leben orientierungslos, was mir gerade so gar nichts ausmacht. Aber anderen macht dies komischerweise ungemein zu schaffen. Oder ist es wirklich komisch und irgendwie auch schräg, dass ich auf Konzerten noch mal Dreizehn werde und auch dementsprechend herumschreie, wenn die Protagonisten endlich die Bühne betreten oder mir ein Lied besonders gefällt oder ich einfach vor Glück innerlich ausraste? Ich habe richtig Panik vor dem Tag, an dem dies alles zu Ende sein soll. Irgendwann bin ich dafür vielleicht wirklich zu alt, aber andererseits fühl ich mich auch noch zu jung für den Typen, der den Biber erschlagen hat, ihn blond färbte und das Tier nun auf dem Kopf trägt, während er breit grinsend volkstümliche Musiksendungen moderiert, obwohl sich mir Joko und Klaas auch nicht wirklich erschließen, die scheinbar nun für Jugend und Coolness stehen. Ich komme da eher aus der Kavka-Generation (also known as MTV-Opa), in der Musikfernsehen noch alles bedeutete, und als auf Musiksendern noch Musik lief. Vielleicht bin ich zur MTV-Oma mutiert?! Ist das noch tragbar? Auffällig ist jedenfalls, dass ich zwar pubertär ausraste, die um mich herumstehenden aber eher nicht, teilweise schon genervt zugucken und selber eher nen Stock im Arsch haben, denn wir sind hier ja nicht bei Justin Bieber – zuletzt gemerkt bei Take That (deutlich ruhiger als früher). Ich war wohl die einzige, die aus lauter Spaß an der Freude fast einen Herzanfall erlitt, alle anderen eher aus Altersgründen – gleiches ist mir schon bei Depeche Mode und diversen anderen passiert. Bin ich berufsjugendlich? Ach, und wenn schon. Es gibt blödere Berufe. Berufswehleidige, zum Beispiel – dann hätte ich n echtes Problem! 30 is the new 20 – Rock on!

Donnerstag, 10. November 2011

Aufhören!!!

Ich mag mich ja irren, aber waren die Scorpions nicht gerade auf Abschiedstournee? Und was mussten meine entzündeten Augen heute Mittag sehen? Die Werbung für die Tour der Scorpions 2012. Es geht also weiter. Aufhören, wenn es am schönsten ist – scheinbar eine unlösbare Aufgabe, zumindest, für manch Rockstar oder Schlagersänger. Wollten nicht auch schon Howard Carpendale und Marius Müller-Westernhagen aufhören? Und die Rolling Stones? Aber sobald die Abschiedstournee und das allerletzte Album dann ausverkauft sind, findet sofort das Comeback statt. Ich glaube, Comeback ist mein Hasswort des Jahrzehnts. Wer schon alles wieder aus dem Loch gekrochen ist – verziehen habe ich es nur Take That, aber das hat pubertäre Gründe.
Es gibt ja Leute, die erst gar nicht aufhören (können). Johannes Heesters, zum Beispiel. Als ich ihn neulich im Fernsehen sah, hatte ich eigentlich nur Mitleid, und als er nicht von der Bühne gehen wollte, klang das Lachen des Publikums auch eher wie Auslachen, anstelle von Mitlachen. So richtig zum Lachen war mir jedenfalls nicht zumute, eher zum Heulen, weil nicht mal seine Frau es schaffte, ihn von der Bühne zu räumen. Und mehr und mehr entsteht der Eindruck, dass er gar nicht in der Lage ist, die Entscheidung zum Aufhören zu treffen, genauso wenig, wie er sich mittlerweile Texte merken kann, die seine neben ihm stehende Frau auf der Bühne laut vorsagen muss. Hat das noch was mit in Würde altern zu tun? Wenn das so weiter geht, werden wir zukünftig vielleicht doch das ein oder andere Ableben live miterleben. Aber wer will denn das? Das wollen wir doch genauso wenig, wie die schmerzliche Einsicht, dass auch Michael Schumacher Letzter in der Formel 1 werden kann.
Warum das alles? Hat man im Leben versäumt, andere Aufgaben und Ziele zu finden, so dass Aufhören gar nicht möglich ist, weil Aufhören dann Leere bedeutet? Aber warum nicht einfach was Neues finden? Es beim Aufhören belassen? Einsehen, dass alles endlich ist? Dann hätte der beste Film der Welt auch nicht das Schicksal erlitten, für das nun geworben wird: Er ist zum Musical verwurstet worden! Sorry, Hape, ich habe dich immer geliebt, aber dafür gibt es wirklich kein Pardon!

Montag, 7. November 2011

Im Fieberwahn und flügellahm

Ein selbstbestimmtes Leben ist für Sie Voraussetzung, sich eins mit sich zu fühlen. Das heißt nicht, zufrieden zu sein. Zufriedenheit klingt nach Stagnation und Passivität - denen weichen Sie mit aller Kraft aus. Unter Lilith und Uranus verspüren Sie die Lust, verrückte Dinge zu tun, Erwartungen zu durchbrechen, und wollen neue Lebensmodelle testen... (BRIGITTE, Heft 23, 19.10.2011)

Danke, Brigitte. Danke, Arztbesuch, denn der hat mir heute zu dieser Erkenntnis verholfen, als ich Stunden im Wartezimmer verbrachte und u. a. mein Horoskop las. Ich wusste doch immer, dass ich für ordinäre Erwerbsarbeit nicht geeignet bin. Dumm nur, dass mein Leben eigentlich nur aus Erwerbsarbeit besteht und ich mittlerweile ohne kaum etwas mit mir anfangen kann. Dank des Arztbesuches muss ich das aber nun, denn ich bin krankgeschrieben. Und weil ich immer eine Aufgabe brauche, mache ich heute Feldforschung: Ich führe heute einfach mal das Leben der Menschen, die ich sonst im beruflichen Kontext betreue. Den ersten Fehler in diesem neuen Leben hab ich allerdings schon gemacht, als ich heute Morgen um halb Sieben aufgestanden bin – das ist Bettzeit. Aber gut, ab jetzt. Als ich von Arzt und Apotheke zurück bin, ist es Zwölf. Was wird um Zwölf im Fernsehen gezeigt? Da ich keine Fernsehzeitung besitze, stürze ich mich unvorbereitet ins Geschehen, und wenn ich nicht schon Fieber hätte, dann würde es jetzt ausbrechen, denn ich werde mit der Sensation des Tages konfrontiert: Die Entstehung der längsten Wurst der Welt – und das alles im Rahmen einer Art von Mittagsmagazin im Privatfernsehen. Das sind also die Sendungen, von denen mir andere sonst immer nur erzählen. Ich wünschte, es würde der Postbote an der Tür klingeln oder ein paar Halloween-Kinder, wie am letzten Montagabend, um Süßes zu erbetteln, obwohl ich nichts im Hause habe. Aber noch saurer kann es ja nicht werden! Die Erprobung neuer Lebensmodelle hab ich mir irgendwie entspannter vorgestellt – eher so, wie das, was der Titel einer Umsonst-Zeitung neulich im Supermarkt versprach: Sonne, Meer und Luxus pur – Yacht-Personal dringend gesucht!

Die Wurst ist wie ein schwerer Unfall, ekelhaft, aber weggucken kann ich nicht. Gut, dass jetzt Werbung kommt und die Programmvorschau. Und ich finde es auch nur konsequent, dass eine Sendung, die von den nervigsten Deutschen handeln soll, auch gleich von diesen moderiert werden wird. Durchdachtes Konzept!

Zwischen Dreizehn und Siebzehn Uhr zappe ich mich durch diverse Comedy-Serien von Kanal zu Kanal, alle dieselbe Handlung bei ausgewechseltem Personal, bedingt lustig. Ich bin erschöpft und schlafe ein, um dann gegen halb Neun den krönenden Abschluss erleben zu dürfen. Die Kamera hält drauf, auf den Arschloch-Mann und die Ganzkörperoperierte, die sich permanent von ihm runtermachen lässt, und von denen man mir folgendes weißmachen will, nämlich, dass sie A) prominent sind und total wichtig, zumindest so, dass es für diese Reality-Show reicht, B) überaus vermögend sind und deshalb ganz viel in den Urlaub fahren müssen, was aber purer Stress ist und die Frisur ruiniert, und dass man im Urlaub auch verarscht wird, wenn man reich ist und C), dass ich mich dafür interessieren müsste... und dass die Großbildfernseher im Discounter kaufen und er zu Hause nicht mit seinem Personal spricht, aber auch nicht von ihnen angesprochen werden will. (Vor diesem Hintergrund und in Bezug auf den eben von mir geäußerten Wunsch… - Ich glaube, ich wäre dann doch lieber die, die das Yacht-Personal sucht!)
Ich frage mich erst gar nicht, warum die beiden ein Paar sind, denn offensichtlich sind sie nicht in inniger Freundschaft und Liebe verbunden. Und ich bin jetzt auch nicht mehr verbunden – jedenfalls nicht mit der Fernsehwelt. Das ist nicht mein Lebensmodell. Aber es wäre ja auch schlimm, wenn ich mal zufrieden wär. Dann hätte ich ja nichts mehr zu tun.