Dienstag, 25. August 2015

Durch Regen zum Segen


Falls Sie vorhin aus dem Fenster geschaut haben und sich fragten, ob die Frau mit dem Kinderwagen noch ganz dicht ist, bei strömendem Regen ihre Runden zu drehen: Ich kann Sie beruhigen. Alles war ganz dicht, das Kind friedlich schlummernd und die Frau hat das einfach mal gebraucht. Gewitter reinigt die Luft und Regen macht den Kopf frei. So lief ich, mein ganzes Glück vor mir her schiebend und das Unglück auf den Schultern lastend und im Kopf kreisend, Meter um Meter. Der Regen auf die Schutzfolie prasselnd.

Gestern Abend im Bett hatte ich auf einmal so etwas wie einen Panikanfall. Meine Oma soll ja extrem dement (und das nach meinen Berechnungen in einem vermutlich nicht ganz so hohen Alter) gewesen sein. Was ist, wenn ich zu denen gehöre, die bereits mit Anfang 60 dement werden? Dann hätte ich nicht einmal so lange Zeit, wie ich jetzt schon alt bin, die ich bei Bewusstsein mit meinem Baby verbringen kann. Und Zeit, die noch bleibt, um mein Leben zu leben. Die Erkenntnis: Die Lebenszeit ist begrenzt. Und manchmal kommt man eher an die Grenze, als einem lieb ist.

Ich habe 2 Schul- und 3 Berufsabschlüsse sowie einen Studienabschluss. Nichts davon hat mich glücklich gemacht. Vielleicht hat es mich ernährt.

"Man darf nie zufrieden sein!", ermahnte mich ein Lehrer in der 7. Klasse. Heute habe ich das Gefühl, das ist der dümmste und mit der schlimmste Satz, den ich je gehört hab. Er ist falsch. Früher hab ich das geglaubt und mich fast geschämt, dass ich doch wirklich zufrieden war. Heute weiß ich, dass es nie genug ist. Effektiv, optimiert, verbessert. Lebenslaufbewusst. Und damit man nicht auf dumme (eigene) Gedanken kommt, studiert man nochmal neben dem Beruf. Der Aufstieg oder das Ziel, das man glaubt erreichen zu müssen und aus der Ferne noch das große Glück verspricht, das ist eine Mogelpackung und nur als Zwischenstation konzipiert. Immer werden Mängel suggeriert. Man soll dabei bleiben. Denn es muss mehr werden. Man darf ja nie zufrieden sein. Das Gras ist auf der anderen Seite noch grüner. Der Geldberg beim Konkurrenten noch größer. Eine Falle, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der wir den Wert des Menschen an seinem (beruflichen) Erfolg messen. Und, wer möchte denn nicht wertgeschätzt werden? Jeder Mensch braucht Bedeutung für andere.

Ich hab's mir überlegt. Ich bin nicht wirtschaftlich. Es bedeutet mir nichts. Ich will mir erlauben zufrieden zu sein, denn diese Art zu denken und zu planen hat mich meines bisherigen Lebens beraubt. Ich bin nirgendwo angekommen.

Es ist ja - wie alles im Leben - eine Entscheidung. Brauche ich eine eigene Immobilie? Will ich noch mehr Abschlüsse für eine ohnehin nicht eintretende Zukunft machen? Sollte ich Geld ansparen, für eine möglicherweise nicht stattfindende Rentenzeit? NEE!

Und, Entschuldigung: Auch, wenn es jetzt das Niveau des Beitrages versaut, möchte ich doch aus einem meiner Lieblingslieder in der Pubertät zitieren: ICH WILL EUER LEBEN NICHT. ICH WILL EUER SCHEIß LEBEN NICHT! (Basis)

Ah – durchatmen - besser.