Ich war noch nie im Leben so mit meinem Aussehen
beschäftigt wie an dem Tag. Weil ich mich innerlich so alt fühle, wie ich es
vielleicht nie werde? Weil ich gefrustet und verbittert von der
Broterwerbstätigkeit bin, die mich ganz grau im Gesicht werden lässt? Und darum
sprach mich nichts mehr an, als die Werbung einer Klatsch-und-Tratsch-Zeitung,
die es jetzt in einem unschlagbar günstigen Doppelpack zusammen mit einer
Modezeitschrift gibt. Die musste, die wollte, die hatte ich unbedingt zu haben!
So sehr, dass ich am selben Abend noch rüber zur Tankstelle gelaufen bin und
das Päckchen erwarb. Und ehe ich mich versah, ersetzte ich meinen kaputten
Staubsauger am nächsten Tag durch einen, der bestimmt auch bald kaputt ist, aber
dafür billig, und kaufte mir für das am Staubsauger gesparte Geld ein paar
wunderschöne Schuhe. Ticke ich noch ganz richtig? Und ich musterte jede Frau im
Bus und auf der Straße. Anschließend musterte ich mich im Spiegel und konnte
mich selbst nicht sehen, denn wie sehe und sah ich eigentlich aus? Wie ein
Bauerntrampel!
Mal abgesehen davon, dass ich über weniger als gar
keine modischen Kenntnisse verfüge, wird die Kleiderwahl zusätzlich durch den
Job eingeschränkt, für den ich praxistauglich gekleidet sein muss. Macht die
Position, die man bekleidet, auch die Bekleidung? Könnte man da nicht doch noch
was machen? Polieren, aufhübschen, umziehen, Haare schneiden, Haare entfernen,
straffende Lotion...???
Da kam mir die Rubrik Gestylt wie die Stars
oder auch Klau den Look richtig gelegen. Will ich alles. Diät der Stars?
Mach ich jetzt auch. Pflegeprodukte der schönsten Frauen der Welt? Brauch ich
dringend. Mein Lack ist ab. Ich hab mir ganze Seiten aus dem Heft rausgerissen,
voll mit Klamotten, die ich kaufen will, unter anderem ein sehr schöner
taillierter Blazer. Bis ich dann feststellte, dass nicht nur der Job den Look
bestimmt, sondern auch der Geldbeutel, und ich es mir selbst nicht leisten
kann, ein Abklatsch der Stars zu werden. (Hallo?! Aber 200 Tacken für ein Paar
Ballerinas?) Na gut, aber ich fand ja dann die oben erwähnten Schuhe und auch
einen Second-Hand-Laden, für den ich durch ganz Hamburg fuhr, und ergatterte
alles, was ich mir vorgestellt hab, um die Transformation zu vollziehen. Ich
wusch das alles noch am selben Abend - Geduld war noch nie meine Stärke - um es
am nächsten Tag auszuführen. Tja, das tat ich dann auch, aber was soll ich
sagen? An mir passte das alles nicht zusammen. Was bei anderen gut aussieht,
wie bei der einen schönen Frau im Bus, die ich jeden Morgen bewundere, an der
ich mich gar nicht satt sehen kann (sie trägt übrigens auch einen todschicken
taillierten Blazer), die Coolness, Entspanntheit, Kreativität und alles, was
ich modisch anstrebe, vereint, und dazu noch ein hübsches Baby hat, tja, das
alles ist auf mich leider nicht übertragbar. Ich bin es nicht. Entweder man hat
es oder nicht. (Wobei es wohl ausschließlich darum geht, sich gefunden zu
haben, um dann das richtige auszuwählen. Und nicht darum, einfach etwas
überzustülpen, um jemand zu sein, der man nicht ist.)
Als ich dann auf Arbeit ankam und meine Kollegin
sagte, meine Frisur würde gut aussehen, die ich schon bereut hatte, als unten
die Haustür hinter mir zuschlug, munterte mich dies auch nicht auf. Da war es
schon vorauszusehen. Ich würde nicht synchron mit dem Tag werden. Jedenfalls
nicht als das, wozu ich mich erschaffen hatte. Ich bin kein Typ für lange
Pflegeprogramme und Ausdauershopping. Wenn ich meine Beine rasiere, sind sie
auch nicht glatt, sondern ich hab Juckreiz und das bei Berücksichtigung
sämtlicher Tipps für ultramegasuper empfindliche Haut. Wenn ich mich schminke,
sehe ich aus wie angemalt. Und trage ich den taillierten Blazer, sehe ich aus
wie eine Bibliothekarin. Vielleicht war es die Sehnsucht einfach einmal von
schönen Dingen umgeben zu sein, es wert zu sein. Aber das muss anders, nämlich
einfach und allein ICH sein! Dann klappt‘s auch wieder mit dem Spiegel.
Und auch in anderer Hinsicht war dieser Ausbruch nicht
unbedingt die beste Idee: Der Staubsauger. Was soll ich sagen? An Saugkraft,
wie ich es ursprünglich befürchtet hatte, fehlt es ihm nicht. Aber wie kann aus
so einem kleinen Teil - abgesehen von Babys - so viel Lärm kommen? Ich denke,
für seine Handhabung gelten die gleichen Arbeitsschutzgesetze wie für die
Bedienung eines Presslufthammers. Ich habe noch nie so schnell die Wohnung
gesaugt, immer in der Befürchtung, das Material hält nicht oder der Verlust
meines Mietvertrages stünde kurz bevor.
Tussi, stirb!