Freitag, 9. Dezember 2011

Bewerbung um die Stelle als Langweilerin

Hiermit bewerbe ich mich bei Ihnen um den Posten als langweiligste Frau der Welt. Niemand sonst will ihn – ich bin ganz scharf drauf! Folgend möchte ich Ihnen erläutern, warum ich die Richtige für diesen Job bin.

Der ständige Wettbewerb ist mir zu anstrengend; mal davon abgesehen, dass ich ihn für Zeitverschwendung und Umweltverschmutzung halte. Ich will eigentlich nur unbeobachtet meine Ruhe haben und mir selbst genug sein. Ich bin nichts Besonderes und mache auch nichts Besonderes, weder aus Spaß an der Freude noch um mich selbst zu finden oder um etwas Besonderes zu werden. Mein höchstes Bestreben ist gewöhnlich zu sein, mein kleines Leben zu leben. Mein Alltag ist mein Abenteuer und der besteht hauptsächlich aus meiner Arbeit (ich arbeite gern) und ab und zu etwas Hausarbeit, bedingt diszipliniert. Ich bin nett, hilfsbereit und hab ein Herz für Menschen, lach mich gerne schlapp und trinke Wein. Ich liebe den Nachbarklatsch im Treppenhaus, mit den Omis, die hier in diesem Haus schon seit 1957 wohnen. Ich selbst stelle keine Rekorde auf – höchstens in Langsamkeit, denn ich brauche oft mehr als eine Woche, um Die Zeit zu lesen und in der Zeit gibt es längst die nächste davon. Ich raste vor Freude aus, wenn ein Eichhörnchen meinen Weg kreuzt und ich fange an zu heulen, wenn mir jemand erzählt, dass eine Oma überfallen wurde, gleich nachdem sie das Geld für die Beerdigung ihres Mannes von der Sparkasse abgeholt hat.

Regelmäßig finden meine Hobbies (montags Yoga und donnerstags Chor) ohne mich statt. Ich singe dafür beim Abwasch in der Küche und tanze ab und zu im Wohnzimmer.

Meine Kontakte sind überschaubar, aber erfreulich. Ich will eines Tages eine stinknormale Familie gründen. Meine Kinder sind richtige Kinder, die spielen dürfen und sich dreckig machen. Wir fahren auch in den Urlaub. Mein Mann ist ebenfalls durchschnittlich, für mich allerdings besonders. Ich behalte auch diesen einen Mann, denn dauerndes Ver- und Entlieben ist mir zu aufregend.

Mir wäre es möglich, meine ganze Energie in den Langweilerin-Job zu stecken, denn ich laufe nicht Gefahr mit anderen Kollegen in lange arbeitsablenkende Gespräche über die Kardashians oder andere TV-Katastrophen zu versacken, denn ich weiß in der Regel nicht, wer oder was die oder das sind.

Sollte ich Ihr Interesse geweckt haben, rufen Sie mich gern an. Aber bitte vor der Tagesschau. Danach sind Anrufe nur zu entschuldigen, wenn es sich um wirkliche Notfälle handelt. Und außerdem geh ich früh schlafen.