Seit fast einem halben Jahr nehme ich werktags den
Durchgang zum Klinikweg. Und jeden Tag starre ich die Wand an.
Ich weiß nicht, was es ist. Erst war ich fasziniert,
was Menschen mit Spraydosen anstellen können: Andere Menschen darstellen, die dann
auch noch wunderschön aussehen, lebendig; ja, vor Leben gerade zu sprühen - und
das, obwohl sie offenbar und leider früh verstorben sind, in einem Alter, das
ich längst überschritten habe.
Ich habe Kopfkino. Jeden Tag aufs Neue.
Erstmal frage ich mich, was sich hinter der Tür
versteckt. Mutmaßung: Eine Art Bar?! Leider geh ich da immer zu Zeiten dran
vorbei, an denen die Tür fest verschlossen ist. Kein Mensch zum Fragen in
Sicht. Hat sie da gearbeitet? Hat sie da verkehrt? Ist sie da gestorben? Weit und
breit nix, außer mir und meiner ekelhaften Neugier. Ist das eigentlich auch so
eine Art Gaffertum und Interesse am Leid anderer?
Und schon rattert es weiter im Kopf: Verkehrsunfall?
Schwere Krankheit? Gewaltverbrechen? Suizid?
Neulich habe ich mich doch wirklich dabei erwischt,
wie ich am Briefkasten geschaut habe und dann ganz enttäuscht war, dass da
weder ein Firmenname noch was anderes Aufschlussreiches stand, das ich
zur weiteren Recherche benutzen kann. Dann donnerte die U3 über meinen Kopf hinweg
und ich kam mir ganz schnell ganz doof vor und ging noch schneller weg.
Ab nachher geh ich außen rum.
R.I.P. Lex!