Gerade hat sich die Finanzberaterin Inge beim
Radiosender meiner Wahl Die Toten Hosen gewünscht.
Wer hätte denn vor zwanzig Jahren darauf Wetten abgeschlossen? Und bedeutet dies,
dass bei den Toten Hosen nun auch tote Hose ist? Insgeheim habe ich ja schon
länger den Eindruck, dass sie - na ja, sagen wir mal - eher nach Pur klingeln als nach Punk. Der geht
jedenfalls nicht mehr ab, wovon ich mich eben dann auch noch einmal überzeugen
durfte, denn Inges Wunsch wurde erfüllt. Ist das jetzt gut oder schlecht? Der
normale Lauf der Dinge? Erwachsenwerden? Immerhin hätte ich - vor dem
Schlafzimmerspiegel meiner Mutter stehend und mit der Stopfnadel meine Ohren
durchbohrend - auch niemals gedacht, dass ich eines Tages regelmäßig morgens
(!) aufstehen würde und einer Erwerbsarbeit nachgehe und der einzige Protest
darin besteht, einmal im Jahr vor dem Schlafengehen das Zähneputzen zu
vergessen. Spaß macht das jedenfalls nicht. Genauso wenig wie das Lied, das ich
eben von den Hosen im Radio gehört habe.
Montag, 30. September 2013
Sonntag, 15. September 2013
Morgen, ohne guten
Wie man es sich als neue Nachbarin gleich mal so
richtig verscherzen kann, darin erprobt sich gerade die Frau, die über mir
einziehen will. Aaaaahh. Der Sonntagmorgen jedenfalls stand ganz im Sinne der
Schadensbehebung. Wie eigentlich schon die ganze letzte Woche.
Es fing damit an, dass ich irgendwann abends mal
gesehen hab, dass hinter dem Fernseher eine Menge kleingerieselter Putz liegt.
Ohne irgendeine Erklärung, wo der jetzt herkommt. Menschen mit meiner Anlage
zum Kopfkino denken natürlich gleich an Monsterinsekten, die die Wand zersetzen
oder ähnliches. Aber kein Surren oder Flügelschlag zu hören. An der Decke
nichts zu sehen. Gut, weggewischt und erst mal ein paar Tage nichts.
Am Donnerstag war es wieder da, das Häufchen. Am
Freitag stellte ich fest, dass es auch in der Küche eins gibt. Am Samstag stand
im (ich nenn es mal...) Mehrzweckzimmer eine Pfütze. Als jemand, der beruflich
mit psychisch kranken Menschen arbeitet, war mir da sonnenklar: Jetzt hab ich
es auch, eine noch nicht näher definierte psychische Störung. Denn ohne
jegliche sinnvolle Erklärung sehe ich Dinge, die nicht sein dürfen, nicht wahr
sein können. Es beunruhigte mich, aber nicht so sehr, als dass ich nicht
richtig gut und lang geschlafen hätte.
Doch als ich heute Morgen vom Bett auf das Sofa im
Wohnzimmer wechseln wollte, da hörte ich es rieseln. Es kam aus der Decke, an
der Stelle, wo die Heizungsrohre durchlaufen, und wäre es nur der Putzriesel
gewesen, hätte ich mich wohl gefreut, aber diesmal kam auch noch so etwas wie
eine graue Brühe raus. Nicht viel, aber genug, um mich anzukotzen. Daraufhin sah
ich mich gezwungen, mich anzuziehen, was ich sonntags eigentlich nicht vor dem
Mittag tue, und mich der neuen Nachbarin vorzustellen. Geöffnet hat allerdings
ein junger Mann, offensichtlich zur Renovierung der Butze angeheuert, der mir
erklärte, dass es ihm sehr leid tue, aber man versuche, die Raufaser von den
Wänden zu reißen und dafür wohl u.a. auch zu viel Wasser an die Wände gespritzt
hat. Er werde sich jetzt vorsehen. Das will ich ihm raten! In Anbetracht meiner
zahlreichen Neurosen ist ein Zustand, in dem es möglich ist, dass jederzeit wieder
etwas herunterrieseln oder tropfen kann, nicht lange auszuhalten und könnte
doch noch dazu führen, dass ich die schwere psychische Störung auspräge, die
ich die letzten Tage bei mir schon vermutet habe.
Samstag, 7. September 2013
Anti-Well
Heute Morgen fand ich ihn. Gesucht habe ich natürlich
etwas völlig anderes, nicht den Gutschein fürs Spa. Wenn ich ehrlich bin, habe
ich nicht mal eine konkrete Vorstellung, was ein Spa überhaupt sein soll. Ich
weiß auch nicht, was Menschen in einem Wellness-Urlaub machen. Das hört sich
immer ganz nett an, aber wenn ich es mir genau überlege, habe ich Angst davor,
dass man ständig irgendeinem Programm unterworfen ist (ich höre immer Anwendungen),
was für Entspannung sorgen soll, bei mir dann aber das Gegenteil bewirken
würde. Ich habe von meiner Schwester vor einigen Jahren zum Geburtstag mal
einen Gutschein für Wellness bekommen und habe mir dafür eine Massage
ausgesucht, weil ich mit allem anderen auf der Liste noch weniger anfangen
konnte. Was soll ich sagen? Ich fühlte mich total anti-well. Die Frau, die
massierte, war mir nicht sonderlich sympathisch und hat mich von oben bis unten
eingeölt, inklusive Haaransatz - mit dem Resultat, dass ich nach 1,5 Stunden
körperlicher Totalanspannung, die ich im Papierschlüpfer auf der Liege
verbrachte, begleitet von krampfhaften Gesprächsversuchen der Massierenden,
dann mit triefend fettigem Haar das Gebäude verlassen musste. Duschen war
nicht. Nur für Mitglieder. Ich fühlte mich in diesem Zustand nicht in der Lage
öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und klingelte bei einer Freundin, die
zum Glück in der Nähe wohnte und zu Hause war, mit der Bitte schnell mal
duschen zu dürfen. Ein Jahr später bekam ich von einer Freundin wieder so einen
Gutschein - weil ich Erholung so dringend nötig hätte. Ja, darunter versteht
wohl jeder etwas anderes. Mit mir jedenfalls nicht nochmal. Und so liegt er
immer noch unbenutzt hier rum, steht im Weg und hindert mich daran, das zu
finden, was ich eigentlich suche.
Montag, 2. September 2013
Sachverständig nichts verstanden
Manche Dinge versteh ich einfach nicht.
Heute, zum Beispiel, da donnert mir eine Kollegin einen neuen Fall auf den
Tisch. Natürlich eilig. Um zu prüfen, wie eilig es denn wirklich ist, hab ich
schon mal die Akte quergelesen. Ich zitiere aus einem Gutachten, für das sich
die Begutachtende stattlich bezahlen ließ: Ein
zutraulicher, insgesamt aber verunsichert wirkender Hase, welchen sie vor einem
Monat auf dem Fischmarkt gekauft habe, saß unter ihrem Schrank.
Also, das wirft doch einige Fragen auf! Wieso
begutachtet die beauftragte Ärztin denn das Haustier des Menschen, den sie
eigentlich untersuchen soll? Ich muss noch hinzufügen, dass es keinesfalls nur
bei diesem einen Satz blieb. Dem Hasen wurden von fünf Seiten des Gutachtens
eineinhalb gewidmet, ohne dass sich mir ein Sinn erschließt, schon gar keiner,
der zielführend auf die Beantwortung der Fragestellung zusteuert, nämlich den
Hilfebedarf der Person aus medizinischer Sicht einzuschätzen. Und wie soll ich
mir denn bitte einen Hasen vorstellen, der sowohl zutraulich als auch
verunsichert ist? Also, wenn irgendjemand so einen Hasen hat, der über diese
Fähigkeit des Multitaskings verfügt, den bitte ich dringend um Übersendung
eines Beweisfotos.
Was mit der armen Frau ist, um die es geht,
werde ich morgen mal selbst überprüfen. Bei dem Hasen jedenfalls liegt weder
Fremd- noch Eigengefährdung vor. Da bin ich schon mal beruhigt.
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