Mittwoch, 22. Mai 2013

Landei


Ich hätte es niemals für möglich gehalten, aber ich bin der Stadt überdrüssig. Löste vor einigen Wochen noch jeder Umzug von Verwandten, Bekannten und Freunden selbst an den Stadtrand absolutes Unverständnis aus, wie man freiwillig so nah an den Arsch der Heide rücken kann und sich selbst von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fernhalten möchte, so kurz davor war ich gestern mir dort eine Bleibe zu akquirieren. Eigentlich ist es ja so: Je länger ich in der Stadt wohne, desto weniger kann ich mir vorstellen, wie man im Dorf überleben kann - ohne Bus und Bahn und ohne andere Infrastruktur, ohne Yoga, Cafés, die Uni und was weiß ich - und das alles auch noch bei einem Übermaß an sozialer Kontrolle durch die Dorfältesten und Dorftratschen.
Dann schrieb mir eine Freundin, die da immer noch wohnt, dass sie ein neues Fahrrad hat und damit immer ganz viel durch das Naturschutzgebiet fährt. Stundenlang. Da wurde ich ganz neidisch. Stundenlang. Ich dachte an die Weltumsegelungen, die wir als Kinder auf dem Fahrrad unternahmen. Da hätte ich auch mal wieder richtig Lust drauf. In Hamburg macht Fahrrad fahren überhaupt gar keinen Spaß – nicht, wenn man Weite gewohnt ist, denn man kommt gar nicht zum Fahren vor lauter Ampeln, Menschen und Autos. So staubt mein schönes Fahrrad aus Karl-Marx-Stadt im Keller ein. Jaaaa, zusammen Fahrrad fahren - so wie früher. Kann ich überhaupt noch Fahrrad fahren?? Auto fahren kann ich ja auch nicht mehr!! Mir gehen in der Großstadt doch langsam meine mecklenburgischen Kompetenzen verloren. Das schmerzt.
Wo war ich am glücklichsten? In der Übersichtlichkeit. Wem mache ich was vor? Ich bin ein Landei.
Es gibt Leben fernab des Trubels.