Führen die Deutschen eigentlich die Statistik der
depressiven Nationen der Erde an? Es ist mir früher nie aufgefallen,
wahrscheinlich hab ich auch auf der Welle gesurft, aber da ich gerade überaus
glücklich bin, wird mir permanent das Gefühl vermittelt, ich sollte mich doch
zumindest deshalb schlecht fühlen. Wenn man nicht depressiv ist, dann doch
mindestens unzufrieden mit der Gesamtsituation - Stöhnen und Jammern auf ganz
hohem Niveau. Man ist gesund, bekleidet Leitungsfunktionen, baut ein Haus
(lässt bauen), macht luxuriöse Fernreisen, pflanzt sich fort, fährt ein
schönes Auto und häuft Dinge an - und gönnt dem anderen nicht die Butter auf
dem Brot. Denn trotz Fülle sind die meisten leer. Da wird gemeckert, gemotzt
und Anspruch auf Mehr und Wachstum erhoben. Wir haben nichts dazu gelernt und
setzen weiter auf das, was uns kontinuierlich in den Ruin treibt. Nur Ökonomen und Idioten glauben an
unbegrenztes Wachstum, hat eben jemand im Fernsehen gesagt. Der Mensch wird
nicht artgerecht gehalten und das treibt wundersame Blüten.
Neulich lag ich morgens im Bett und dachte das erste
Mal in meinem Leben: Ich bin reich! Seit diesem Jahr kann ich all meine
Rechnungen zahlen und ich war sogar im Urlaub an der Ostsee. Ich habe eine
Waschmaschine und muss nicht mehr alles in den Waschsalon buckeln und ich hab
das ein oder andere Mal auswärts gegessen oder nicht ausschließlich die
billigsten Produkte im Supermarkt gekauft. Ich war im Kino, ohne dafür in der
darauffolgenden Woche am Essen zu sparen. Ich bin reich! Ich habe alles, was
ich brauche und kann jetzt anfangen Geld anzuhäufen. Am selben Morgen komme ich
zur Arbeit und eine Kollegin, die im Februar in Rente geht, wedelt mit ihrem
Rentenbescheid und gibt dabei bekannt, sie werde demnächst in Armut leben
müssen. Als Rentenbetrag nennt sie ein paar Euro über meinem derzeitigen
Gehalt. Hallo? Armut?
Ich habe keine Vorsätze fürs nächste Jahr, ich wünsch
mir was. Ich wünsche mir, dass ein Funken Lebensfreude auf die Menschen
springt, vielleicht wird bei dem ein oder anderen gar eine Flamme oder ein
Feuer draus. Und er oder sie hört auf zu stöhnen, weil es noch mehr sein könnte
oder auch total beliebt, sich mit Anfang 20 obsessiv Gedanken über die eigene
spätere Rente zu machen und dafür zu schuften und zweifelhaften Versprechungen
hörig zu sein. Es gibt keine Versicherung für die Zukunft. Es gibt ein Leben.
Und das könnte wirklich besser und reicher sein - wenn wir anfangen an der
richtigen Stelle zu suchen. In diesem Sinne: Alles Gute für das Jahr 2013!