Ob man Advent und Weihnachten mag, ist wohl auch
abhängig davon, welche Erfahrung man in der Kindheit damit gemacht hat.
Scheinbar war es für den Großteil der Menschheit die Hölle auf Erden, denn
überall begegnen mir miesgelaunte Zeitgenossen, die sich der Beschenkung
erwehren und dies auch gleich bei anderen voraussetzen. Ein jeder hat ja
sowieso schon alles und würde man jedem oder jeder etwas schenken - das kann
sich ja nun wirklich niemand leisten. Tja, das kommt ganz auf den Standpunkt an
und auf den Maßstab, ab wann ein Geschenk als gut gilt. Wann ist das passiert,
dass man an Geschenken rummotzen darf? Wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, ab dem
Geschenke nichts Besonderes mehr waren, weil es alles gibt und das zu jeder
kleinsten Gelegenheit. Da steigt die Erwartung. Wenn man zu Ostern ein Auto von
seinem Verlobten bekommt, was bleibt dann für Weihnachten übrig; und was machen
die, die da nicht mithalten können?
Ich platze vor Freude, dass Weihnachten bei uns nie
ein Wettbewerb war. Meine Erinnerungen an Weihnachten sind weniger die
Geschenke an sich, sondern die Heimlichkeit, Spannung und Aufregung, dass es
überhaupt Geschenke geben wird. Die Wartezeit, die man in der Schule und im
Hort mit Weihnachtsmusik verbracht hat, Kindertheater besuchte oder Weihnachtsmärchen
sah, Plätzchen bei Oma genascht hat oder ihr beim Backen helfen durfte,
Schneemänner, bunte Lichter. Bei uns war es fantastisch.
Es hat sich auch niemand beschwert, dass man sich von
einer Mahlzeit zur nächsten frisst. Wir schlemmten uns durch die Leckereien und
freuten uns darüber. Mit allen Verwandten, die sich auch freuen wollten - ohne
weihnachtliche Familienstreittotaleskalation. Und selbst wenn an Heiligabend
dann auch mal ein Geschenk dabei war, das man doof fand - egal. Auch der hässlichste
Pullover wurde ab und zu aus dem Schrank geholt und getragen, wenn der
anverwandte Schenker zu Besuch kam. Heute heißt es im Bus: Wenn die mir
wieder so ‘n Scheiß kauft, tausch ich das um oder zieh ihr eine rein. Hätt
ich mich nie getraut. Und ich hatte auch keinen Grund dazu. Als ich klein war
und ein Puppenhaus wollte, es weder eins zu kaufen gab, meine alleinerziehende
Mutter es sich hätte auch nicht leisten können, hat mein Opa mir eins gebaut.
Meine Großtante hat aus einer alten Gardine mal ein Prinzessinnenkleid für mich
genäht. Meine Mutter hat über ihren Cousin aus Stuttgart Comics ins Land
geschmuggelt, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Hab ich da Grund zur
Beanstandung? Nö! Im Gegenteil. Ich war nie glücklicher darüber in einer Mangelwirtschaft
groß geworden zu sein. Das ist quasi ein Geschenk fürs Leben. Denn so hab ich
das Besondere schätzen gelernt - weil ich die Chance dazu hatte. Und das Besondere
gibt's manchmal für lau. Mir fiel in diesen Tagen die Werbung eines Spielzeuggeschäfts
ins Auge, ähnlich wie sie mir 1989 schon einmal erschien. Eine Doppelseite
bunter Bilder mit Geschenktipps zu Weihnachten. Kurz nach dem Mauerfall, weiß
ich gar nicht, wie ich als Kind an diese Werbung gekommen bin, denn weit und
breit gab es bei uns ein solches Geschäft nicht. Meine Schwester hatte den
gleichen Prospekt. Wir schauten uns jeden Tag glücklich. Es war gar keine
Frage, das dort Abgebildete haben zu wollen, es war schon eine Bereicherung und
ein richtiger Schatz die Werbung zu besitzen.
Zwar muss ich nun selbst die Plätzchen backen und das
bei hauswirtschaftlicher Minderbegabung, aber ich lass es mir auch dieses Jahr
nicht nehmen, zu Weihnachtsmusik durch die Küche zu hüpfen und mich auf
Weihnachten zu freuen. Und das beste Geschenk: Wenn alle Geschwister aus ihren
Ecken kriechen und einmal im Jahr bei Muddi zusammenkommen.