Im
Zustand stärkster Bewusstseinstrübung und entsprechend dem Wunsch nach sozialer
Teilhabe ließ ich mich mal wieder von der Notwendigkeit blenden, mich einem
sozialen Netzwerk anzuschließen, um mich doch wieder nur von dessen
Entbehrlichkeit zu überzeugen. Soziale Teilhabe, gemessen an sogenannten
Followern – Mmh, dann entspräche meine soziale Teilhabe dem Niveau der
Exklusion. Als Nachrichtendienst taugt es auch nicht. Die Nachrichten, die dort
zu lesen sind, sei es auch von großen Tages- oder Wochenzeitungen und
Fernsehstationen, die habe ich vorher schon aus anderen Quellen erfahren. Und
alles andere ist, wenn überhaupt, unnützes Wissen. Wer braucht die Info, dass
jemand gerade falsch vor einem Hauseingang parkt, Nachbarn doof sind und
schlechte Musik zu laut gehört wird; darüber wer wann Durchfall oder einen
Kater hat, welche Songs wo runtergeladen werden, sich ‘ne Tussi bei OTTO einen
Pullover bestellt, was dazu gegessen hat oder Kommentare zum laufenden
TV-Programm?? Ich bin mir nicht mal sicher, ob das überhaupt schon als
Information gilt?!
Wen
interessiert’s? Nur, weil es diese Möglichkeit gibt, muss man sie ja nicht
nutzen, denn für mich hat sie keinen, einen Nutzen. Wie sagte Leonard Cohen
gestern Nacht so schön: Nur weil meine
Musik populär ist, heißt es nicht, dass sie gut ist. Es heißt erst mal nur,
dass sie populär ist. Würd ich auch fürs Zwitschern so unterschreiben.
Ich
glaube allerdings, dem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein, warum die Menschheit
panische Angst vor der Datenspeicherung sozialer Netzwerke hat und vor allem
davor, dass diese Daten in falsche Hände geraten. Ja, das sollten wir auch,
Angst haben, denn jeden Tag tritt die Menschheit millionenfach an, der Nachwelt
zu hinterlassen und zu beweisen, dass wir strunzdumm sind. Ich hab auch Angst
davor, dass meine Nachkommenschaft eines Tages entdeckt, dass ich dabei gewesen
bin. Diese Art von Beteiligung schätze ich nicht. Schluss, Aus, Ende mit dem
Strunzen, durch ständige Großmäuligkeit seine Dummheit zu zeigen. Einfach mal
die Finger stillhalten.
Und
was ich seitdem alles geschafft habe!! Ich muss ja nicht mehr darüber
nachdenken, was ich als nächstes poste, was hashtags
sind und warum ich die meisten Nachrichten, die zu fünfzig Prozent aus kuriosen
Zeichen bestehen (#, @ ….), nicht verstehe, wo ich nicht mal SMS-Kurzschrift
beherrsche, weil ich aus einer Zeit komme, in der Kurzschrift noch Steno hieß. Soviel Zeit!
Zeit,
Brandon Boyd beim Singen anzuschmachten, mich exzessiv der Wohnungspflege
inklusive Kloputz und Abwasch zu widmen, Gespräche zu führen, meine schon seit
Monaten leidende Topfpflanze endlich mit genug Erde zu bedecken, mich ohne
Beschränkung in ganzen Sätzen zu äußern, ausschlafen, fünfundzwanzig Kilometer auf
dem Elbwanderweg von der Hafen City (Was man immer auch von dieser halten mag…
- vielleicht das nächste Mal!) bis zum Willkomm Höft in Wedel zu beschreiten,
dort dann fast anfangen zu heulen, mich für zwei Stunden auf 3sat in oben
erwähnten Leonard Cohen zu verlieben, über die Rettung der Elefanten und den
Erhalt des Botanischen Gartens nachzudenken und… und… und…
PS: Weiß
Helmut Schmidt eigentlich, dass ihn jemand bei Twitter angemeldet hat?