Sonntag, 14. Oktober 2012

Diese Art von Beteiligung schätze ich nicht

Im Zustand stärkster Bewusstseinstrübung und entsprechend dem Wunsch nach sozialer Teilhabe ließ ich mich mal wieder von der Notwendigkeit blenden, mich einem sozialen Netzwerk anzuschließen, um mich doch wieder nur von dessen Entbehrlichkeit zu überzeugen. Soziale Teilhabe, gemessen an sogenannten Followern – Mmh, dann entspräche meine soziale Teilhabe dem Niveau der Exklusion. Als Nachrichtendienst taugt es auch nicht. Die Nachrichten, die dort zu lesen sind, sei es auch von großen Tages- oder Wochenzeitungen und Fernsehstationen, die habe ich vorher schon aus anderen Quellen erfahren. Und alles andere ist, wenn überhaupt, unnützes Wissen. Wer braucht die Info, dass jemand gerade falsch vor einem Hauseingang parkt, Nachbarn doof sind und schlechte Musik zu laut gehört wird; darüber wer wann Durchfall oder einen Kater hat, welche Songs wo runtergeladen werden, sich ‘ne Tussi bei OTTO einen Pullover bestellt, was dazu gegessen hat oder Kommentare zum laufenden TV-Programm?? Ich bin mir nicht mal sicher, ob das überhaupt schon als Information gilt?!
Wen interessiert’s? Nur, weil es diese Möglichkeit gibt, muss man sie ja nicht nutzen, denn für mich hat sie keinen, einen Nutzen. Wie sagte Leonard Cohen gestern Nacht so schön: Nur weil meine Musik populär ist, heißt es nicht, dass sie gut ist. Es heißt erst mal nur, dass sie populär ist. Würd ich auch fürs Zwitschern so unterschreiben.
Ich glaube allerdings, dem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein, warum die Menschheit panische Angst vor der Datenspeicherung sozialer Netzwerke hat und vor allem davor, dass diese Daten in falsche Hände geraten. Ja, das sollten wir auch, Angst haben, denn jeden Tag tritt die Menschheit millionenfach an, der Nachwelt zu hinterlassen und zu beweisen, dass wir strunzdumm sind. Ich hab auch Angst davor, dass meine Nachkommenschaft eines Tages entdeckt, dass ich dabei gewesen bin. Diese Art von Beteiligung schätze ich nicht. Schluss, Aus, Ende mit dem Strunzen, durch ständige Großmäuligkeit seine Dummheit zu zeigen. Einfach mal die Finger stillhalten.
 
 
Und was ich seitdem alles geschafft habe!! Ich muss ja nicht mehr darüber nachdenken, was ich als nächstes poste, was hashtags sind und warum ich die meisten Nachrichten, die zu fünfzig Prozent aus kuriosen Zeichen bestehen (#, @ ….), nicht verstehe, wo ich nicht mal SMS-Kurzschrift beherrsche, weil ich aus einer Zeit komme, in der Kurzschrift noch Steno hieß. Soviel Zeit!
Zeit, Brandon Boyd beim Singen anzuschmachten, mich exzessiv der Wohnungspflege inklusive Kloputz und Abwasch zu widmen, Gespräche zu führen, meine schon seit Monaten leidende Topfpflanze endlich mit genug Erde zu bedecken, mich ohne Beschränkung in ganzen Sätzen zu äußern, ausschlafen, fünfundzwanzig Kilometer auf dem Elbwanderweg von der Hafen City (Was man immer auch von dieser halten mag… - vielleicht das nächste Mal!) bis zum Willkomm Höft in Wedel zu beschreiten, dort dann fast anfangen zu heulen, mich für zwei Stunden auf 3sat in oben erwähnten Leonard Cohen zu verlieben, über die Rettung der Elefanten und den Erhalt des Botanischen Gartens nachzudenken und… und… und…
 
PS: Weiß Helmut Schmidt eigentlich, dass ihn jemand bei Twitter angemeldet hat?