Sonntag und ich - wir konnten uns noch nie leiden. Ich
glaube, es reicht nicht mal zu einer Hassliebe. Natürlich liebe ich es, dass
Sonntage in der Regel frei von Erwerbsarbeit sind, aber ich hasse es umso mehr,
dass der Tumor einer ganzen Woche Erwerbsarbeit so deutlich vor mir liegt.
Sonntags bin ich unruhig. Unruhig, weil ich weiß, dass die Freizeit, die ich
noch einen lieben langen Tag habe, nicht annähernd ausreichen wird, um all das
zu schaffen, was ich im Laufe der Woche vor Erschöpfung nicht geschafft habe,
und was ich in meinem bisherigen Leben nicht geschafft habe, aber unbedingt
noch machen und Sonntag anfangen will. Nicht nur das Leben ändern, sondern auch
das Ändern leben.
Aber dann ist Sonntag meist einfach der Tag des
Abschiedes. Wenn man Besuche macht, fährt man in der Regel sonntags zurück,
weil das Monster Arbeitswoche zu Hause auf einen wartet. Mein mir vertrauter
Lebensabschnittsgefährte verabschiedet sich ebenfalls sonntags. Und mit jedem
Sonntag wird mir deutlicher, dass wir in sieben Wochentagen gerade mal zwanzig
Stunden zusammen verbringen, wovon wir ca. elf Stunden schlafen. Wie lange ist
man bei Umsetzung eines solchen Beziehungskonzeptes überhaupt in der Lage
vertraut zu bleiben?
Und spätestens Sonntagabend wird es auch der Abschied
von allen Plänen, die man gemacht hat. Denn - wie wusste John Lennon schon - Leben
ist das, was passiert, während man andere Pläne macht. Es bleibt die
Feststellung, dass das Wochenende wieder vollgestopft war, vorrangig mit
Nützlichkeitsdingen und Pflichtterminen.
Und Sonntag soll auch der Tag des Herrn sein. Das
passt, denn alle Kirchen, die ich kenne, sind
eher depressiv - so wie ich am Sonntag. Die Erlösung (wenn wir hier
schon mal religiös angehaucht sind) erhoffte ich in einem sonntäglichen
Yogakurs. Zunächst lief das auch wie am Schnürchen. Ich kam runter, profitierte
sogar noch montags davon und manchmal am Dienstag. Aber nun... Pustekuchen.
Meine Abneigung gegenüber dem Sonntag und meine
Unruhe, die sich dann ins Unermessliche steigert, verhalten sich proportional zu
meiner grundsätzlichen Unzufriedenheit. Das habe ich letzte Woche festgestellt.
Nix mit yogischer Entspannung. Ich war kurz davor Möbelstücke zu zerlegen, so
aggressiv wurde ich allein bei den Ansagen meiner Yogalehrerin in der
Meditationsphase. Von wegen Kieferentspannung oder nachspüren.
Alles, was ich spürte, war unbändige Lust irgendwo draufzuprügeln, etwas zu
zertrümmern oder laut loszuschreien. Und nach der Yogastunde, an der
Bushaltestelle wartend, mutierte ich dann erst recht zum Grinch. Jedenfalls ging
mir das verliebte (ebenfalls wartende) Pärchen total auf den Geist. Und dann
diese Knutschgeräusche. Können die das nicht zu Hause machen?
Ich weiß auch nicht, aber wenn Sonntag ein Ruhetag
ist, dann mache ich was falsch. In mir arbeitet es unaufhörlich. Aber das liegt
wohl nicht am Sonntag, sondern vielmehr an mir!?