Freitag, 27. Januar 2012

Frau Starrke

Morgens halb zehn in Deutschland - im Büro, das eingerichtet ist wie ein Wohnzimmer. Nachdem sie die Jacke abgelegt hat, greift sie zum dicken Filzstift und durchkreuzt das heutige Datum. Nur noch 187 Tage. Dann können wir sie mal - und bis dahin ist ihr auch alles egal.

Früher war alles besser. Heute gibt es überall nur Anlass zum Jammern. Genau darüber. Die Laune ist total mies, insbesondere die von Frau Starrke. Den ganzen Tag ist sie mit dem Leben der anderen beschäftigt. Was macht der oder die gerade und vor allem: Was macht der oder die gerade falsch? Früher passierten nicht so viele Fehler. Früher wusste man ja noch, wie die Dinge erledigt werden müssen. Heute weiß sie es immer noch, aber will es keiner mehr von ihr wissen. Warum nur? Die Konzepte und Arbeitsweisen haben sich doch 30 Jahre lang bewährt!

Die Gesellschaft ändert sich? Aber nicht mit ihr! Der Bürger verursacht immer nur Probleme und versteht einfach nicht, wie das hier so läuft. Er ist grundsätzlich schon mal kognitiv gar nicht in der Lage die Komplexität unseres Amtes zu erfassen. Da kann man sich die Erklärungen auch gleich sparen. Zuviel sollte man ohnehin nicht preisgeben. Und im Grunde hat der Bürger auch meist falsche Vorstellungen darüber, was geht und was nicht. Wir sind doch hier nicht bei Wünsch dir was! Der Bürger weiß nicht, was gut für ihn ist. Der muss auch schon mal zu seinem Glück gezwungen werden. Hilft ja nichts. Was muss, das muss. Selbstbestimmung ist ja ganz schön, aber nicht so…  (und auch nicht mit ihr). Und nun hat man auch noch die PC-Spiele im System gelöscht, was eine absolute Frechheit ist.

Da bemerkt Frau Starrke Rauchentwicklung. Mist, nun ist auch noch der Toaster kaputt! Und was ist mit Frühstück? So ein Stress! Hört das denn nie auf? Frau Starrke muss nun erst einmal zum Supermarkt gegenüber. Jacke wieder an - schnell runter, bevor sie gesehen wird, und schon wieder irgendjemand etwas will. Frühstück ist doch die wichtigste Mahlzeit des Tages. Und wenn sie sich nicht beeilt und nicht rechtzeitig zurück ist, dann gehen die Kollegen nachher ohne sie zum Mittag in die Kantine.