Es ist ja immer mal wieder up to date über Zivilcourage zu
sprechen, aber eigentlich frage ich mich, ist Zivilcourage nicht schon zu viel
verlangt, denn es gibt ja nicht mal bzw. kaum noch ein (rücksichtsvolles)
Miteinander?! Irgendwie ist kaum etwas zivil und schon gar nichts couragiert.
Vielleicht bin ich auch nur Opfer meiner Hormone und besonders empfindlich,
aber irgendwie vergeht mir dann doch das Lachen, wenn ich abends im
vollbesetzten Bus von einem Jugendlichen angeschrien werde, der breitbeinig
über zwei Sitzplätze hängt und mich ankeift: Warten Sie mal. Warten Sie mal.
Den Platz jedenfalls hab ich nicht bekommen, denn der war für seine Mieze
reserviert. Menschen streiten sich bzw. konkurrieren mit einer offensichtlich
Schwangeren um einen Platz im Bus, drängeln ohne Rücksicht auf Verluste. Da
wird schon mal der Ellenbogen ausgefahren - wo ich Busfahren im Moment eh nicht
vertrage und ich gestern fast jemanden bekotzt hätte, der so stank wie die
schlimmste Wohnung, die ich beruflich mal betreten musste. Mmh, eigentlich
hätte er es verdient.
Aber nicht nur in Bus oder Bahn, nein, auch davor:
Neulich in Wandsbek hat mich an der Bushaltestelle auf dem Gehweg ein
Mitte-Sechzigjähriger mit dem Fahrrad fast umgenietet und mich dann noch
vorwurfsvoll gefragt: Wie kann man denn so doof sein? Die Frage kann ich
nur zurückgeben!
Dabei hat sich nichts geändert. Hamburg ist nicht
schwangerenunfreundlich, es ist insgesamt wohl eher menschenunfreundlich, denn
all das ist mir früher auch schon passiert. Aber, wenn man zerbrechliche Fracht
ist bzw. trägt, dann reagiert man nicht so abgefuckt wie normal. Und normal
ist, dass selbst Omas dich mit ihrer Handtasche verprügeln, um den Platz zu
kriegen, den sie wollen.
Auch sonst war ich immer diejenige, die im Baumarkt
von anderen angerempelt und über die
dann noch verständnislos mit dem Kopf geschüttelt wird. Vielleicht muss ich
auch abgefuckter werden und mein Schild von der Stirn nehmen (Mit mir kann
man es ja machen! Selbstverständlich weiche ich Ihnen aus!), wenn mir mal
wieder eine Wand aus Fußgängern entgegen kommt und mir A) entweder den Weg
abschneidet oder B) ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass ich auf die
Straße ausweiche.
Letzte Woche im Supermarkt, in dem ohnehin nicht mal Platz
ist, um seine Einkäufe einzupacken, fiel mir mein Portemonnaie runter und das
Kleingeld rollte nur so überall durch die Gegend. Was soll ich sagen? 1. konnte
ich vor Bauch kaum den Boden erreichen, um alles wieder aufzuheben, und 2. sind
meine Hände so angeschwollen, dass ich das auf dem Boden liegende Geld eigentlich
kaum greifen konnte, und 3. war ich mal so total angekotzt, weil alle Menschen
auch nur angekotzt waren, dass sie nicht an mir vorbeikommen, weil ich
offensichtlich einfach nur dämlich bin und den Verkehr aufhalte. Wie schlecht
die Leute drauf sind! Unglaublich!
Und, warum wundere ich mich eigentlich über den
Paketmann, der gerade bei uns geklingelt hat? Viermal stürmisch. Beim ersten
Mal dachte ich noch, ich hätte den Türöffner nicht richtig betätigt, beim
zweiten Mal gab es da schon Zweifel, aber beim dritten und vierten Mal kam mir
die Sache doch komisch vor und ich ging runter an die Haustür. Er komme auf
keinen Fall mit dem Paket hoch. Das sei ihm zu schwer. Er warf es von seiner
Sackkarre ab, verlangte meine Unterschrift und verschwand. Da stand ich nun.
Eine Freundin, bei der ich mich gerade ausheulen
wollte, verstand mein Problem nicht so recht. Warum rege ich mich so auf? Sei
nun mal so. Vielleicht rege ich mich auf, weil es so ist und ich ohne dicken
Bauch immer diejenige bin, die anderen den Platz freimacht. Und, ich rege mich
auf, weil ich nicht will, dass es so bleibt. Zivilcourage... wäre ja nett, aber
ich wäre schon zufrieden, wenn wir insgesamt netter wären.