Ich weiß
nicht, wie viele Beiträge ich in den letzten Tagen dazu gelesen oder verlinkt
bekommen habe, wie Familien das jetzt alles machen oder was das Coronavirus mit
ihnen macht. Das frage ich mich auch, als jemand, der mit dem Kind allein die
ganze Familie bildet.
Was
macht das mit meinem Kind? Wenn ich es überall hin mitnehmen muss, weil
bedauerlicherweise kein Dorf zur Verfügung steht? Wenn ich es – wenn auch so
selten wie möglich, weil so viel gekauft wird, wie ich schleppen kann – mit in
den Supermarkt nehmen muss, wo ständig Leute mit Masken und Handschuhen an uns
vorbeigehen? Wenn Hände waschen jetzt über allem steht und jede zweite Ermahnung
diese Handlung betrifft? Wenn Kratzen im Gesicht, nachdem der Einkaufswagen
berührt wurde, bei mir schon einen mittleren Panikanfall auslöst? Wenn auf
einmal alles verboten ist? Halt Abstand, mach dies nicht, lass das sein, weich
der Frau aus, fass das bloß nicht an, bleib hinter der Absperrung!
Kurzfristig
führt es jedenfalls zur Verzweiflung und Wut, Tränen und neuen Spielen.
Plötzlich war der Flur gestern in Warteabschnitte eingeteilt. („So, ich denk
mir jetzt auch Sicherheitsregeln aus!“) Und es führt zu Angst. Ganz konkret
wurde befürchtet, dass alle Verbrecher draußen frei herumlaufen, wenn jetzt
auch noch die Polizei schließt. Aber hat es auch langfristige Folgen? Angststörung?
Handwaschzwang?
Und
dann bin ich selbst angespannt. Und drüber. Und krieche auf dem Zahnfleisch. Hab
Kopfkino und überleg mir, wie ich eine Minute in Ruhe überlegen kann, wie wir
jetzt zur verschissenen Post kommen, ohne den Bus zu benutzen, weil mir das
Paket am Samstagmorgen nicht zugestellt werden konnte. Ja, das war völlig
unmöglich. Aus welchen Gründen auch immer. Und dann muss ich aufpassen, dass
ich das Kind nicht auch noch anschnauze, weil mir gerade zum Schnauzen ist.
Während
andere Sprachen lernen oder sich im Home-Office abwechseln, überlege ich mir,
ob ich mein Vitamin C in Sekt auflöse, einfach um mal runter zu kommen. Zu
zweit hocken wir jetzt seit 9 Tagen mehr oder weniger die gesamte Zeit in
dieser Stadtwohnung, die von Tag zu Tag kleiner wird. Frühstück, Mittag, Abendbrot.
Spielen, Basteln, Bücher, Kuchen backen, Jeden Tag ein bisschen Auslauf, bei
dem man zwar Abstand hält, aber immer das Gefühl hat, dass die Leute einen
strafend ansehen, wie man es denn wagen kann, sich ohne festes Ziel draußen
fortzubewegen. Dabei ist das Ziel ganz klar: Drinnen nicht dem Wahnsinn zu
verfallen. Und bei den festen Zielen waren wir ja schon. Supermarkt. Hier und
da wird das Kind auch vor dem Fernseher geparkt. Einfach weil ich wenigstens ohne
Zuschauer auf die Toilette will (natürlich unter möglichst geringer Verwendung
von Toilettenpapier).
Nächste
Woche muss ich wieder zur Arbeit. Mir ist noch völlig schleierhaft wie das
funktionieren soll. Meine Arbeit ist im Home-Office eigentlich nicht
durchführbar. Und wenn man sie so ummodelt, dass dies der Fall wäre, so habe
ich immer noch meinen persönlichen Assistenten bei mir, der sich nicht davon abbringen
lassen wird, mich tatkräftig zu unterstützen. Dabei würde ich gerade nichts
lieber tun, als ganz normal zur Arbeit zu gehen. Es hört sich vielleicht echt
jämmerlich an, aber in meinem Alleinerziehenden-Leben sind dies die nahezu
einzigen visuellen Direktkontakte mit erwachsenen Menschen. Ich hatte seit der
Trennung schon einige Momente, in denen ich unter fehlendem Austausch gelitten
habe. Aber mehr denn je fehlt mir gerade sowas wie Partnerschaft, eine Familie,
geteiltes Leid.