"Schade,
dass es dieses Jahr nicht klappt, dass wir uns zu Weihnachten sehen! Ich hätte
so gern das Gesicht gesehen!" Vielleicht wäre das auch ganz sinnvoll gewesen - einfach mal zum
Nachdenken.
Ich glaube, ich habe mich an Weihnachten noch nie so
unwohl gefühlt, war noch nie so wütend, fand unseren Lebensstil noch nie so
pervers. Während in anderen Teilen der Welt Kinder verhungern, flüchten,
zerbombt werden, ging mein Kind in einer Flut von Paketen unter. Und das
Gesicht hätte ich dem Kind und mir gern erspart. Schon Wochen vorher kamen
Pakete aus allen Himmelsrichtungen. Ich wusste, dass Oma und Opa eine
Spielküche schenken wollten, doch die Pakete, die aus dieser Richtung kamen,
hatten eher das Ausmaß, als würde es sich um eine richtige Küche handeln.
Unsere Eltern sind geschieden, d.h., es gibt Oma und
Opa doppelt, ja vierfach. Und so verhält es sich dann auch mit den Geschenken.
Meine Versuche der Einflussnahme im Vorfeld stießen weitestgehend auf taube
Ohren. So kamen zur Küche (die in der Tat besser ausgestattet ist als meine)
singende Plastikkinder, Plüschtiere, Bücher, Klamotten (die viel zu klein
sind), ein ganzer Fuhrpark und ja, auch Tonnen von Süßigkeiten, obwohl sich
alle oben genannten Personen immer wieder darüber beschweren, wieviel die
Kinder heutzutage naschen.
“Ach,
Weihnachten mit Kindern ist so schön!“
So schön verzweifelt und überfordert. Mein Kind
jedenfalls war völlig verstrahlt und wusste gar nicht, wo es zuerst hingucken
soll!
Ich frage mich ernsthaft, zu was Weihnachten verkommen
ist. Die vielen Geschenke waren für den Moment schon scheiße und das möchte ich
hier in aller Deutlichkeit noch einmal sagen, so wie ich es bereits allen schon
am Telefon oder persönlich mitgeteilt habe und nun natürlich die undankbare
Tochter, Schwiegertochter, Öko-Terroristin oder sonst was bin, aber mein Kind
und ich bzw. wir brauchen nicht noch mehr Plastikscheiße oder andere unsinnige
Sachen, bei denen der Eindruck entsteht, dass Großeltern oder andere Schenkende
sich eigentlich und ausschließlich selber freuen, weil sie das verschenkte Teil
so niedlich finden oder früher selbst gern gehabt hätten.
Und über die Scheißigkeit des Momentes hinaus bleibt
dann noch die Frage, wo solch eine Geschenkeorgie hinführt. Wo bleibt die
Besinnlichkeit, die Entspannung, die Fähigkeit sich freuen zu können oder das
einfache Beisammensein? Ich befürchte, dass Kinder, die noch vor dem zweiten
Geburtstag komplett ausgestattet, eingerichtet und materiell überschüttet
werden, eine Erwartungshaltung an das Leben entwickeln, die für alle Beteiligten
ungünstig ist und vermutlich dazu führt, dass ich zum 10. Geburtstag einen
Kredit aufnehmen muss, um die Reise zum Mond zu finanzieren. Und glücklich ist
dann keiner von uns.
Was wir wirklich brauchen, ist Hilfe und
Unterstützung, sind Omas und Opas Interesse und vor allem Zeit. Wenn Mama krank
ist, freut sich neben Mama auch das Kind über anderweitige Bespaßung.
Grundsätzlich würden wir uns freuen, wenn es nicht immer nur bei Bekundungen
bleiben würde, mal aufpassen zu wollen, sich zu besuchen, etwas gemeinsam zu unternehmen,
denn was mich betrifft, so war ich das letzte Mal vor ca. zwei Jahren allein
auf dem Klo und bin ob des unmenschlichen Pensums mit Arbeit, Haushalt,
Beziehung und anderer Notwendigkeiten und auch aufgrund der bedauerlichen
Abwesenheit aller Verwandten und Bekannten oft am Rande meiner Kraft. Als Paar
waren wir vor der Geburt das letzte Mal aus. Dass wir infolge all dessen kurz
vor dem Ruin unserer Ehe stehen, ist nur logische Konsequenz.
Wenn ihr was für das Kind tun wollt, dann schenkt
Zeit. Zeit für das Kind, Zeit für uns.
Alles andere ist einfach nur schade und macht auch
nicht das wieder gut, was ihr bei mir bzw. uns in der Kindheit versäumt und
versaut habt. Und schade ist auch, dass offenbar keiner etwas dazu gelernt hat.