Der moderne Mensch ist ein Versager. Er*Sie*Es kann
aus eigener Kraft nicht mehr überleben, weil er überhaupt keine Kraft hat oder
diese für wahnsinnig bescheuerte, entbehrliche, aber gesellschaftlich
angesehene Aktivitäten verprasst. Das
stetige Bemühen alles outzusourcen und sich weiterzuentwickeln, hat den Erfolg,
dass von uns kaum noch jemand ohne Strom überlebensfähig ist - ja, eigentlich
grundsätzlich überhaupt GAR NICHTS MEHR kann. Nahrungsbeschaffung heißt einkaufen
gehen. Was machen wir, wenn es einmal nichts zu kaufen gibt? Tierzucht,
Schlachtung, Verarbeitung, Haltbarmachen... Was weiß ich??? Der ein oder die
andere hat vielleicht ein paar Erdbeeren auf dem Balkon oder Kartoffeln im
Kübel - einfach, weil es schick aussieht und gerade wahnsinnig angesagt ist.
Selbstversorgung? Eher nicht.
Und selbst, wenn dann etwas zum Essen da ist. Wer kann
das zubereiten?? Mein Nachbar fällt gleich nach dem Aufwachen quasi direkt aus
seinem Bett in die Kaffee-Ketten-Filiale um die Ecke. Nicht mal Kaffee kochen
kann (oder will??) er. Ein Kollege erzählte neulich, dass bei ihm in der Straße
Wohnungen gebaut werden, die nicht mal mehr eine Küche haben, weil der Bedarf
gar nicht mehr gegeben sei.
Na ja, wenigstens gibt es noch Menschen, die Wohnungen
bauen können. Der Durchschnittsmensch ist aufgeschmissen ohne Dach über dem
Kopf. Wer könnte denn noch eigenhändig eine Unterkunft erschaffen? Glücklich
ist der, der es schafft noch einen Nagel einigermaßen gerade in die Wand zu
hauen, ohne dabei sich und andere zu gefährden.
Ich gebe zu, das mit dem Nagel kriege ich hin, aber
ich müsste aller Wahrscheinlichkeit nach nackt herumlaufen, weil ich - wie
viele - kaum in der Lage bin - abgesehen von den Nähmuddis - Kleidung
herzustellen. Aber bevor man Kleidung herstellen kann, muss man ja erst mal zur
Wolle oder zum Stoff kommen - das schaffen nicht mal Nähmuddis.
Und nachdem wir jahrzehntelang daran gearbeitet haben,
uns von diesen lästigen Aufgaben zu befreien und uns freigekauft haben für teuer
Geld, um letztendlich doch keine Zeit zu haben oder anderweitig abzuschmieren,
arbeitet der moderne Mensch nun mit Hochdruck daran die Kommunikation auf eine
neue Ebene zu bringen.
Visueller Direktkontakt war gestern. Bloß nicht
auffallen, keine direkte Konfrontation. Verbal und persönlich allenfalls Small
Talk über Diäten, welche Busstation man gerade ansteuert, was man zum Mittag
hatte, aber um Gottes Willen doch keine Kritik äußern. Das geht viel besser per
App, Mail oder Kommentar. Und dann aber richtig. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Streitgespräche sind sowas von gestern. Igitt. Beim Nachbarn klingeln und ihn
bitten die Musik leiser zu stellen? Nee, bloß nicht. Allenfalls ein anonymer
Zettel im Briefkasten. Die blöde Frau aus dem dritten Stock, die mittlerweile
schon drei Kinderkarren in den Flur gestellt hat, von denen alle genervt sind,
ansprechen?? Wozu? Stellt man ihr die Dinger doch einfach mal direkt vor ihre
Kellertür. Irrtum inbegriffen, denn eigentlich gehören alle Vehikel der lauten
Familie aus dem Erdgeschoss und genannte Frau räumt täglich all diese
Kinderbeförderungsdinger mindestens zweimal aus dem Weg, um die eigene einzige
Kinderkarre in oder aus ihrem Keller zu bekommen. Aber, hey, egal. Kann man
doch wieder löschen oder auf bearbeiten und rückgängig. Oder in der Whats-App-Gruppe
diskutieren. Wie alles oder eigentlich nichts. Aber dazu kommen wir später...
Oder auch nicht.